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Symbolbild: Ukrainische Militärfahrzeuge mit blau-gelber Flagge defilieren auf einer Strasse.
Legende: Die Pressefreiheit bleibt im Krieg als erste auf der Strecke; auch in der Ukraine. Reuters

International Kiew versucht es mit Gegenpropaganda

Im Ukraine-Konflikt versucht nicht nur Moskau Einfluss auf die Medien zu nehmen. Mit einem neuen Informationsministerium will Kiew die Berichterstattung über den Krieg kontrollieren. Doch das kommt bei den ukrainischen Journalisten schlecht an.

Natalja Sokolenko ist Journalistin bei Radio Hromadske in Kiew. Sie produziert und moderiert die Sendung «Bürgerwelle», ein russischsprachiges Programm für das Kriegsgebiet im ostukrainischen Donbass. Es wird von ukrainischen Bürgern und EU-Stiftungen finanziert.

«Wir versuchen, in russischer Sprache die ukrainische Haltung für eine Annäherung an die EU zu vermitteln», sagt die Radiofrau. Dies geschehe auf eine Art und Weise, die die russischsprachigen Ostukrainer nicht gleich vor den Kopf stossen solle.

Medienarbeit wird nicht leichter

Sie freut sich, dass viele Radio und Fernsehsender, die unter dem Clan des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch schliessen mussten, jetzt wieder auf Sendung sind. Auch die Presse sei jetzt freier. Trotzdem sei die Arbeit der Medienschaffenden in der Ukraine mit dem Regierungswechsel nicht leichter geworden.

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«Die Rechte der Journalisten werden zum Teil auch heute noch verletzt – vor allem wenn es um öffentliche Informationen geht», betont Sokolenko. Nach wie vor verwehrten viele lokale Verwaltungsstellen Auskünfte – etwa solche über staatliche Zuschüsse aus dem Budget oder über die Verteilung von Grundstücken. «Da wird weiterhin vieles verheimlicht.»

Ministerium soll Informationen lenken

Noch bedenklicher findet sie das neue Ministerium für Informationspolitik. Es wurde vor kurzem neu geschaffen, um der russischen Propaganda etwas entgegenzusetzen. So zumindest begründete der neu ernannte Minister den Schritt. Er leitete den oppositionellen Sender 5. Kanal, der Präsident Petro Poroschenko gehört. Jetzt soll der frühere Journalist als Minister für Informationspolitik dafür sorgen, dass die ukrainische Sicht in der Welt verbreitet wird.

«Das geht doch nicht», empört sich die Radiojournalistin Sokolenko. Es stehe keinem Ministerium an, zu beurteilen, welche Informationen richtig oder falsch seien. «Die Pressefreiheit ist in der ukrainischen Verfassung verankert», sagt sie.

«Kein Platz für Propaganda»

Sokolenko ist nicht die Einzige. Als das Vorhaben öffentlich wurde, ging ein Aufschrei des Protests durch die Medienbranche. Viele Journalisten und Demokratieaktivisten befürchten eine verstärkte Zensur und finden das Ministerium völlig fehl am Platz.

Das sieht auch Sokolenko so: «Wir haben für Demokratie gekämpft, da gibt es für Propaganda keinen Platz. Und es geht auch nicht, dass schlechte Nachrichten über den Krieg verheimlicht werden, nur weil sie der Regierung unangenehm sind. Die Bevölkerung hat ein Recht auf die Wahrheit.»

Kommt hinzu, dass nicht einmal klar definiert ist, wie und wann der Staat in die Verbreitung von Informationen eingreift: Ob dies eigene Medienkampagnen sind oder ob sogar unliebsame Journalisten verfolgt werden sollen. Im letzten Jahr haben sich jedenfalls die Übergriffe auf Journalisten wieder gehäuft.

Europäische Werte oder Propaganda?

Sokolenko erwähnt den Bericht des Kiewer Instituts für Masseninformation. Demnach wurde 2014 in 900 Fällen die Arbeit von Journalisten behindert. Gut ein Drittel der Übergriffe sind demnach auf ukrainischer Seite zu beklagen, der grosse Rest geht auf das Konto der Separatisten im Donbass, im Kriegsgebiet oder auf der Krim.

Besorgt zeigt sich nicht nur die ukrainische Zivilgesellschaft, die auf Wahrheit und Transparenz pocht, sondern auch internationale Organisationen wie Reporter ohne Grenzen. Für sie alle ist klar: Eine Regierung, die sich auf europäische Werte beruft, kann nicht Propaganda mit Gegenpropaganda bekämpfen.

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