SRF: Wie nahe ist die Staatengemeinschaft dem 2-Grad-Ziel nach der Klimakonferenz in Lima gekommen?
Reto Knutti: Man ist sich etwas näher gekommen. Es fehlen aber noch viele Details und wichtige Eckdaten.
Wenn wir weiterhin soviel CO2 ausstossen, wohin führt das?
Die Erde würde sich um etwa 3,5 bis 4 Grad gegenüber der Referenztemperatur von 1900 erwärmen. Wir sind also nicht auf Kurs. Die Zusagen der USA sind nicht kompatibel mit dem erklärten Ziel von 2 Grad maximaler Erwärmung.
Das angepeilte Ziel dürfte also nicht erreicht werden.
Das würde ich so nicht sagen. Viele Studien zeigen, dass das 2-Grad-Ziel technologisch möglich und auch bezahlbar ist. Ob man den politischen Willen dazu hat, wird sich zeigen. Momentan fehlt es an der Bereitschaft, genügend zu investieren.
Viele Staaten haben in den letzten Jahren etwas getan. Die Schweiz beispielsweise hat den CO2-Ausstoss gesenkt. Sind das ermutigende Zeichen?
Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Der CO2-Ausstoss ist auch in der Schweiz nicht wesentlich gesunken. Im Bereich der Heizungen hat man Fortschritte gemacht, bei den Treibstoffen nicht, denn der Verkehr hat weiter zugenommen. Es braucht viel stärkere Anstrengungen, wenn das Ziel von 2 Grad maximaler Erwärmung erreicht werden soll.
Das 2-Grad-Ziel besteht seit den Neunzigerjahren. Passiert ist seither nicht genug. Müsste man sich von diesem hochgesteckten Ziel verabschieden?
Das wurde auch schon diskutiert. Natürlich ist das keine magische Grenze, oberhalb derer alles katastrophal ist und unterhalb alles gut. Das ist mehr wie eine Tempolimite auf der Autobahn. Man setzt sich 120 als Grenze, weil man denkt, das sei ein vernünftiger Kompromiss zwischen Sicherheit und Vorwärtskommen. Ob man 2 Grad anstrebt, oder 2,5 oder 1,5: Die CO2-Emissionen müssen sinken. Wir müssen weg von Öl, Gas und Kohle.
Was kann die Wissenschaft dazu beitragen?
Man versucht, eine faktische Basis zu liefern und technische Lösungen aufzuzeigen. Politik und Gesellschaft müssen auf dieser Grundlage Entscheidungen treffen. Solange sie das nicht machen, sind der Wissenschaft die Hände gebunden. Sie kann den Mahnfinger heben, aber die Möglichkeiten sind beschränkt.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.