Die Konturen des Skandals um den Konzern Petrobras werden immer deutlicher sichtbar. Es zeichnet sich ab, dass wesentliche Teile der politischen Elite in illegale Geldbeschaffungen über den Öl-Multi verwickelt ist.
200 Millionen Dollar für die Arbeiterpartei
Am Sonntag dürfte das Land deshalb so breite Protestkundgebungen erleben, wie es sie zuletzt im Juni 2013 gab – im Rahmen des Fussball-Confederations-Cups. Damals protestierten hunderttausende von Bürgern gegen Tariferhöhungen im öffentlichen Stadtverkehr und gegen die Milliarden, die Brasilien in die Fussball-WM investierte.
Diesmal richtet sich die Wut gegen Präsidentin Dilma Rousseff. Und gegen die Selbstverständlichkeit, mit der führende Regierungspolitiker ihre Parteien und sich selber über Petrobras finanzierten. Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagte etwa ein inzwischen mit der Justiz kooperierender Petrobras-Manager, allein die Arbeiterpartei der Präsidentin habe 200 Millionen Dollar erhalten.
Präsidentin im juristischen Schongang
Die Justiz hat allerdings bislang keine Ermittlungen gegen Dilma Rousseff ein- geleitet. Es heisst, es lägen keine Beweise vor. Das kann sich freilich schnell ändern, zumal die Ermittler jetzt die Wahlkampf-Finanzierung Rousseffs im Jahr 2010 unter die Lupe nehmen wollen.
Zu den Protesten vom Sonntag rufen drei Gruppierungen von Bürgern auf, hauptsächlich über die sozialen Netzwerke. Rousseffs politische Gegner unterstützen die Aktion. Schon vergangenen Sonntag, als Dilma Rousseff eine Fernsehansprache hielt, war es in den grösseren Städten zu spontanen Hup- und Pfannendeckel-Konzerten gekommen.
Fussballspiele bereits verlegt
Da für den Sonntag ein Massenaufmarsch erwartet wird, finden die Meisterschaftspartien im Fussball schon am Vormittag statt, damit am Nachmittag und Abend genügend Einsatzkräfte der Polizei verfügbar sind. Gemeinsamer Nenner der Kundgebungen ist die Forderung nach einem Absetzungsverfahren gegen die Präsidentin.
Die Opposition zögert aber, ein Impeachment gegen Rousseff schon jetzt anzustrengen. Dafür sei die Beweislage zu dünn. In Wirklichkeit dürfte es darum gehen, trotz des Petrobras-Skandals ein Mindestmass an Regierbarkeit zu gewährleisten. Dem grössten Land Lateinamerikas soll eine Stabilitätskrise erspart bleiben.