SRF News: Wie reagiert Italien auf das Schicksal der Menschen in Amatrice?
Franco Battel: Das Land reagiert zuerst einmal mit grosser Anteilnahme, aber auch mit schneller und unkomplizierter Hilfe. In Italien bebt die Erde relativ häufig, insbesondere in Mittelitalien. Es gibt deshalb ein gut eingespieltes Rettungsteam, das über viel Wissen und Erfahrung verfügt. Wenige Stunden nach dem Beben standen bereits die ersten Zelte für die Obdachlosen. Mit Blick auf die unmittelbare Hilfe nach einem solchen Beben reagieren die italienischen Behörden und auch die Bevölkerung meist sehr schnell und effektiv.
Premier Matteo Renzi hat das Katastrophengebiet sofort besucht und Wiederaufbau versprochen. Wird das Beben politisch vereinnahmt?
Nein, noch nicht. Wenn so etwas Schlimmes passiert, dann wird in Italien zumindest für eine kurze Zeit das politische Hickhack eingestellt – meist aber nicht für sehr lange. Bald schon werden die Parteien die Regierung kritisieren, vermutlich vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega Nord. Dabei geht es vor allem um die Bauweise. Zum Beispiel um die Fragen, ob Altbauten in dieser für Erdbeben bekannten Zone genug gesichert und ob die Neubauten erdbebensicher errichtet wurden.
Der nationale Verband der italienischen Geologen beklagt, es gebe keine Kultur der Prävention. Die Qualität der Bausubstanz in den Erdbebengebieten sei sehr schlecht. Was haben Sie diesbezüglich beobachtet?
Ich habe gesehen, dass beispielsweise der historische Kern des mittelalterlichen Städtchens beinahe komplett eingestürzt ist. Da stehen nur noch einzelne Mauern und der schwer beschädigter Kirchturm. Modernere Gebäude haben dem Beben besser standgehalten. Der Bürgermeister sagte mir aber, dass auch diese Gebäude in Gefahr seien. Er setzte durch, dass heute niemand in die Häuser zurückkehren darf, auch nicht in solche, die noch in Takt zu sein scheinen. Die Menschen hier müssen sich also wohl auf eine längere Zeit in Zelten oder Notunterkünften einrichten.
Gibt es überhaupt noch Hoffnung auf Überlebende?
Der Chef der Feuerwehr sagte mir, dass sie vor zwölf Stunden die letzte Person lebend retten konnten. Seither sei es ihnen nicht mehr gelungen, Lebende aus den Trümmern zu bergen.
Welchen Eindruck haben Sie von den Helfern?
Ich habe hier sehr viele Helferinnen und Helfer gesehen. Allein die Feuerwehr kann hier auf etwa 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Auch viele Suchhunde sind vor Ort sowie Helikopter, die bereit sind, Verletzte auszufliegen. Das Rote Kreuz betreibt ein Feldlazarett. Viele Helfer sagen, sie hätten gar nicht so viel zu tun, weil in den letzten Stunden keine Lebenden mehr geborgen wurden.
Es gab Warnungen von Nachbeben. Wurde die Region bisher von schweren Nachbeben verschont?
Nein, man hat mir gesagt, dass am Morgen hier die Erde sehr stark gebebt habe. Auch waren die Menschen dazu aufgefordert worden, den Ort nachts möglichst zu verlassen. Es ist zu gefährlich, in einem dieser Häuser hier zu übernachten.
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Bild 1 von 20. Regierungschef Matteo Renzi tröstet den Bürgermeister von Arquata del Tronto während der Trauerfeier in Ascoli Piceno. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 20. Die Särge der Verstorbenen werden nach der Trauerfeier in Ascoli Piceno weggebracht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 20. Hunderte trauernde Angehörige nahmen an der Zeremonie in einer zur Kapelle umfunktionierten Turnhalle teil. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 20. Die italienischen Rettungskräfte wollen mindestens noch sieben Tage und Nächte im Einsatz stehen. Sie geben die Hoffnung nicht auf, Verschüttete lebend bergen zu können. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 20. Doch häufig muss die Feuerwehr Tote aus den Trümmern der eingestürzten Häuser bergen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 20. Zahlreichen Einwohnern der Erdbebenregion bleibt Nichts. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 20. Oft konnten sich die Einwohner nur sich selbst und ihre Haustiere retten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 20. Die offenen, einsturzgefährdeten Häuser locken Plünderer an. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 20. Zahlreiche Obdachlose aus dem Erdbebengebiet werden in Turnhallen untergebracht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 20. Auch in der Nacht laufen im Erdbebengebiet die Bergungsarbeiten der Rettungskräfte. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 20. Ein Erdbeben der Stärke 6,1 hat in Italien schwere Schäden angerichtet. Wie hier in der Berggemeinde Amatrice stürzten an mehreren Orten Häuser ein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 20. Die 2500-Seelen-Gemeinde Amatrice wurde vom Beben besonders getroffen. Der Bürgermeister sprach davon, dass die halbe Stadt zerstört sei. Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 20. Kurz nach dem Beben um 03:30 Uhr in der Nacht blieb die Uhr am Kirchturm von Amatrice stehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 20. Diese Luftaufnahme der Feuerwehr zeigt das Ausmass der Zerstörung in Amatrice. Bildquelle: Vigili del Fuoco.
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Bild 15 von 20. Viele Zufahrtswege sind blockiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 20. Retter helfen einer Frau, ihr komplett zerstörtes Zuhause zu verlassen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 17 von 20. In Amatrice musste das Spital evakuiert werden. Auch Altersheime in der Region wurden geräumt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 20. Gewaltig ist die Zerstörung auch in Arcuata del Tronto. Bildquelle: Keystone.
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Bild 19 von 20. Nicht minder heftig traf das Beben den Ort Pescara del Tronto. Bildquelle: Keystone.
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Bild 20 von 20. Vom Beben betroffen ist vor allem die Gebirgsregion Apennin. Die Stärke des Bebens ist vergleichbar mit jenem von L'Aquila im Jahr 2009. Damals starben mehr als 300 Menschen. Bildquelle: srf.