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International «Obama kommt nach Europa, um die Europäer zu beruhigen»

Während seiner Amtszeit als US-Präsident hat sich die Beziehung Obamas zu Deutschland immer wieder verändert. Die Hoffnung, die man in ihn setzte, wurde spätestens bei der NSA-Affäre und seinem Drohnenkampf gegen den Terror getrübt. Doch nach der Wahl Trumps sieht alles wieder ganz anders aus.

Christoph von Marschall

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Der Journalist arbeitet seit 1991 beim Berliner «Tagesspiegel», seit 2005 berichtet er aus den und über die USA. Christoph von Marschall steht den US-Demokraten nahe und hat unter anderem eine Biographie über Barack Obama geschrieben.

Der abtretende US-Präsident Barack Obama ist auf Abschiedstour in Europa. Er wird morgen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Es ist Obamas sechster Besuch in Deutschland, und sein letzter als amerikanischer Präsident.

SRF News: Welche Mission hat Barack Obama bei diesem Besuch aus Ihrer Sicht noch?

Christoph von Marschall: Obama macht sich Sorgen, wie die Zukunft nach der Wahl von Donald Trump aussehen wird. Obama hat ein gewisses Auf und Ab in den deutsch-amerikanischen Beziehungen erlebt. Als er gewählt wurde, herrschte ein grosser Hype, später kam die Enttäuschung, als er nicht ganz so viel durchsetzte, wie er versprach, dann kamen die NSA-Affäre und das Abhören der Bundeskanzlerin. Und trotzdem sind das viel angenehmere Perspektiven, als die Sorge, wie es mit Trump weitergeht, zum Beispiel wegen der Nato. Obama kommt nach Deutschland, um die Europäer zu beruhigen. Er ist der einzige, der aus einem Gespräch mit Trump berichten kann. Eine seiner Hauptbotschaften ist, dass Trump ihm gesagt habe, dass die engen Nato-Beziehungen erhalten blieben.

Eine seiner Hauptbotschaften ist, dass Trump ihm gesagt habe, dass die engen Nato-Beziehungen erhalten blieben.

Wie sehen Sie das Verhältnis von Obama zu Deutschland?

Obama hatte zuerst überhaupt kein herzliche Beziehung zu Deutschland. Der Mann kommt aus dem Pazifik, er ist in Hawaii aufgewachsen und hat als Jugendlicher in Indonesien gelebt. Er hatte keine Berührungspunkte zu Europa, wie das frühere amerikanische Präsidenten hatten. Die Deutschen hatten aber anfangs eine sehr herzliches Verhältnis zu Obama.

Warum schwankte die Einschätzung der Deutschen so stark?

Amerikas Ansehen war nach Bush in Deutschland auf dem Tiefpunkt. Dann trat Obama das Amt an und die Wertschätzung war gross, um dann 2013 nach der NSA-Affäre abrupt wieder zu sinken. Seit der Abschied absehbar wird, wurde die Begeisterung für Obama wieder grösser.

Ist dieses Auf und Ab im Ansehen auch spürbar, wenn Sie sich in Ihrem Bekanntenkreis oder auf der Strasse in Berlin umhören?

Dieses Auf und Ab war stark zu spüren. Eine völlige Verunsicherung ergriff die Deutschen, warum wollen die Amerikaner keine allgemeine Krankenversicherung? Die Deutschen denken «Sicherheit», was bedeutet, dass jeder eine Krankenversicherung braucht. Die Amerikaner denken «Freiheit» in dem Sinne, dass zwar jeder eine Krankenversicherung haben sollte. Aber das soll nicht der Staat bestimmen. Später merkte man, dass auch die Anti-Terror-Politik, die Drohnenangriffe in Pakistan, in Jemen und anderswo unter Obama – der den Friedensnobelpreis erhalten hatte – genau so weitergingen wie unter Bush. Diese Enttäuschung haben die Menschen direkt formuliert, aber man merkt auch, dass jetzt die positive Grundeinstellung wieder nach oben kommt, weil alle in Schockstarre sind. Es ist eine Woche nach der Wahl und so richtig fassen können viele es immer noch nicht. Die fragen sich am Morgen, ob sie das geträumt haben, dass Trump US-Präsident wird. Der Besuch von Obama wird alle daran erinnern. Es herrscht auch ein bisschen Nostalgie und Wehmutstimmung.

Später merkte man, dass auch die Drohnenangriffe in Pakistan unter Obama – der den Friedensnobelpreis erhalten hatte – genau so weitergingen wie unter Bush.

Wie wird sich die Beziehung zwischen den USA und Deutschland verändern?

Es ist vor allem erstmal ein Abwarten, bis man etwas nähere Informationen hat, was Trump wirklich zu tun beabsichtigt, wie viel von seinem Wahlkampfgerede gilt und inwieweit er sich an die Realitäten annähert. Das tut er ja eigentlich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Jetzt wird nochmals klar, wie verlässlich die Beziehung Merkel-Obama eigentlich war. Sie haben vieles in der Weltpolitik gemeinsam besprochen und in die Wege geleitet. Es sagt viel aus, dass der einzige Name einer ausländischen Regierungschefin, den Obama am Montag an einer Pressekonferenz genannt hat, der von Angela Merkel war. Sie war seine wohl engste Mitarbeiterin in der internationalen Szene in den letzten acht Jahren. Diese Verlässlichkei ist in Gefahr. Selbst wenn Donald Trump sich viel positiver entwickelt, als im Moment befürchtet wird, wird es dauern, bis wieder ein verlässliches Verhältnis entsteht. Das ist wie im privaten Leben.

Das Gespräch führte Susanne Schmugge.

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