Wirklich überraschend kommt es nicht. Beunruhigend ist es trotzdem. Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un hat auf die neuen, diesmal wirklich scharfen UNO-Sanktionen mit Muskelspiel und Drohungen reagiert. Zuerst liess er eine Salve von Kurzstreckenraketen ins Japanische Meer abfeuern. Und jetzt weist er die Militärführung an, Raketen mit atomaren Gefechtsköpfen jederzeit einsatzbereit zu halten. Nicht nur defensiv im Falle eines Angriffs auf das Land, sondern auch präventiv – irgendwann, aus irgendeinem Grund.
USA reagieren gelassen
Das Problem für den jungen, unerfahrenen Diktator: Solche atomar bestückten Raketen hat er zurzeit noch gar nicht. Es ist dem Regime noch nicht gelungen, seine Atombomben so zu verkleinern, dass sie mit Raketen abgeschossen werden können. Deshalb reagieren die USA und andere Länder auf Kims jüngste Drohungen relativ gelassen.
Doch irgendwann könnte Nordkorea dazu imstande sein. Vielleicht schon in wenigen Jahren. Und wenn das Regime nun signalisiert, es sei bereit, sehr weit zu gehen, bis hin zu einem offensiven Atombombeneinsatz, dann ist das beängstigend. Zumal es schon Angst macht, dass die Machthaber in Pjöngjang heute radioaktives Material einsetzen und eine sogenannte «schmutzige Bombe» bauen könnten. Eine solche hätte zwar bei weitem nicht die Wirkung einer richtigen Atombombe. Dennoch würden Menschen sterben und Gebiete verstrahlt werden.
Wenig Spielraum für internationale Gemeinschaft
Wie soll die internationale Gemeinschaft jetzt reagieren? Das Dumme ist: Sie hat wenig Spielraum. Die Sanktionen gegen das Land hat sie eben verschärft – allerdings müssen sie nun, vor allem von China, auch durchgesetzt werden. Doch Pjöngjang reagiert nicht wie erhofft durch Einlenken. Sondern wie erwartet mit einer weiteren Verhärtung.
Die Alternative zur Sanktionsschraube wären Verhandlungen. Doch an der Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche, also mit den beiden Koreas, den USA, China, Russland und Japan, hat Diktator Kim kein Interesse. Er möchte allein mit dem Erzfeind USA verhandeln, und zwar auf Augenhöhe. Das Problem: Über sein Atomprogramm will er nicht sprechen. Doch genau darüber und vorläufig nur darüber will Washington verhandeln. Direktgespräche dürften also angesichts dieser Vorbedingungen nicht zustandekommen.
Wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, könnte Kim Jong-Un zu einer Verzweiflungstat fähig sein.
Das Resultat: Die Situation wird immer schwieriger. Zwar wissen Kim Jong-Un und seine Generäle: Wenn sie in irgendeiner Form Atomwaffen einsetzen, dann wird die Reaktion massiv ausfallen. Derart massiv, dass das Regime praktisch sicher nicht überleben würde. Doch dieses Wissen hindert Pjöngjang womöglich nicht daran, am Ende, wenn ihm das Wasser am Hals steht, doch zu einer Verzweiflungstat zu schreiten. Nach mir die Sintflut.
Die internationale Gemeinschaft war nicht bereit, eine mögliche iranische Atombombe zu akzeptieren. Sie kann erst recht keine nordkoreanischen Atombomben einfach hinnehmen. Bloss: Mit Teheran liess sich ein Kompromiss finden. Denn obschon auch dort ein Unrechtsregime herrscht, ist es immerhin ein rational Handelndes und einigermassen Berechenbares. In Pjöngjang jedoch ist das nicht unbedingt der Fall. Und das macht den Nordkorea-Konflikt so gefährlich.