«Gott ist mächtig – das Himmelreich wird kommen», singen Menschen in einem termiten-zerfressenen Schuppen am Rande von Nairobi. An der Gitarre ist der Priester Geoffry O‘Lemo, am Schlagzeug sitzt ein Polizist, auf den Bänken 150 «Christen der letzten Tage» mit nassen, dreckigen Schuhen. Im Diesseits herrscht Regenzeit – und diese verwandelt die sonntäglichen Wege zu Gott in dieser Gegend in schlammige Bäche.
«Franziskus ist ein vorbildlicher Christ»
Die kleine Kirche in Mamuto ist eine von schätzungsweise 1500 Freikirchen in Kenia. Mit dem Papst haben sie wenig am Hut und trotzdem freut sich der Priester der endzeitigen Gemeinde auf seinen Besuch. Denn Franziskus sei ein vorbildlicher Christ. Geoffry O'Lemo erhofft sich von ihm weniger biblische Exegese, als eine pastorale Ermahnung zur Mässigung.
«Ich denke, die Botschaft die der Papst unserer Regierung, den Bürgern in Kenia und ganz Afrika bringen sollte, ist eine Friedensbotschaft. Eine Ermahnung, dass Korruption, das Plündern der Staatskasse, das Ausspielen von Religionen und Ethnien gegeneinander schlecht ist, weil es unser Land zerstört», sagt er.
Wenn Papst Franziskus heute Abend auf dem Jomo Kenyatta Flughafen in Nairobi ankommt, betritt er
- ein Land, das durch die unersättliche Gier von Politikern und ihren Beamten am Rand des Bankrotts steht.
- ein Land, in dem die Mehrheit in grosser Armut lebt und es der Regierung trotzdem nicht peinlich ist, die Bevölkerung um Spenden zu bitten, um den Papstbesuch finanzieren zu können.
Korrupt ist aber nicht nur die Regierung, sondern selbst einige der Freikirchen. Wahrscheinlich noch mehr als die Regierung sagt Lydhia, die selber einer Täufergemeinde angehört.
Die Priester sagen den Gläubigen, wenn sie Geld spendeten, würden ihnen Wunder widerfahren.
«Diese Priester, Prediger und Pfarrer sagen den Gläubigen, wenn sie Geld spendeten, würden ihnen Wunder widerfahren. Die Leute in den Slums dieses Landes glauben so vielleicht, der Armut entkommen zu können, bringen dem Prediger ihre ganzen Ersparnisse und warten vergeblich auf ein Wunder, weil der Prediger das Geld für seinen ausschweifenden Lebensstil braucht.»
Spirituelle Rituale bleiben lebendig
Die Pfingstgemeinden, die Erneuerung, Erleuchtung, Erlösung und andere Wunder predigen und sich dabei streng auf den Wortlaut der Bibel stützen, sind häufig Importprodukte aus Übersee. Selbst viele ausländische Hilfswerke haben eine religiöse Ausrichtung und locken mit ihren sozialen Projekten. Nicht verdrängen können sie dabei allerdings die spirituelle Tradition und Kultur Afrikas. Wie Christentum und Tradition immer noch eng miteinander verwoben sind, erfährt, wer Nairobi verlässt.
Am Viktoriasee, ganz im Westen Kenias in Kisumu, treffen wir Cleo. Er gehört zur Volksgruppe der Kisii. Er bezeichnet sich als Christ, aber Kontakt zu Gott sucht er weder in der Kirche, noch glaubt er an ein Jenseits. Gott und die Ahnen sind in Afrika Teil des Diesseits.
Wir sind Christen, aber wir glauben an heilige Bäume. Sie sind wie eine Kirche, wenn Du Sorgen hast und unter diesen Bäumen betest, kann Dich Gott hören und Dir helfen.
Der Alltag und die Natur sind von ihrem Geist umfächelt. «Wir sind Christen, aber wir glauben an heilige Bäume. Es sind einige ausgewählte Bäume, zu denen bereits unsere Vorväter gingen. Gott wohnt in diesen Bäumen und kann Dich hören. Wir gehen immer noch zu diesen Bäumen. Sie sind wie eine Kirche, wenn Du Sorgen hast und unter diesen Bäumen betest, kann Dich Gott hören und Dir helfen.»
Vom Lake Viktoria geht es über holprige Pisten ins 800 Kilometer nordöstlich gelegene Stammesgebiet der Samburu. Mitten in der Steppe sitzt Boniface auf einem grossen Stein. Er trägt die typische Kleidung eines Samburu-Kriegers: Roter Umhang, Stirnschmuck aus Perlen, kryptische Narbenmuster an Bauch und Armen.
Die Rückreise nach Nairobi führt am 5000 Meter hohen Mount Kenya vorbei. Er ist der Wohnsitz der traditionellen Götter der Kikyus. In Meru steht ein Mann mit Turban am Strassenrand. Er ist kein Hindu, sondern gehört zur christlichen Gemeinde der Akorinos. Dem Gründer der Gemeinschaft hat Gott 1814 befohlen, Licht in die Welt zu bringen.
Der Papst wird uns viele gute Botschaften bringen, mit Christen und Nicht-Christen sprechen und uns ermahnen. Wir wünschen ihm einen ganz schönen Aufenthalt in Kenia.
Sie werden oft mit Magie in Verbindung gebracht. Die Akorinos werden von der kenianischen Bischofskonferenz zwar als Sekte bezeichnet. Auf den Papst freut sich Akorino Silo Kamaun aber trotzdem. «Den Papst respektieren und lieben wir, weil er von guten Menschen ausgewählt wurde. Es ist ein grosser Moment, dass er nun nach Kenia kommt und wir sind dafür sehr dankbar. Er wird uns viele gute Botschaften bringen, mit Christen und Nicht-Christen sprechen, uns ermahnen.»
Dass vom Samburukrieger bis zum «Christ der letzten Tage» alle den Papst innig und warm willkommen heissen, mag erstaunen, ist aber nicht überraschend. Viele sehen in Franziskus weniger den Oberhirten der Katholiken, sondern einen Schirmherr der Geplagten und Geschundenen, der vielen Menschen in Afrika mit seinem Besuch ein Stück Würde zurückgibt, das ihnen im Alltag längst genommen wurde.