Die Regierungspartei Georgischer Traum (GD) bleibt stärkste politische Kraft in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien. Nach Auszählung fast aller Stimmen kam die prowestliche Partei von Ministerpräsident Giorgi Kwirikaschwili auf knapp 49 Prozent, wie die Wahlkommission in der Hauptstadt Tiflis mitteilte.
Die linksliberale Partei holte nach Auszählung von 99 Prozent der Wahlkreise rund 48,6 Prozent der Stimmen. Die oppositionelle Vereinte Nationale Bewegung (UNM) lag demnach bei rund 27 Prozent. Voraussichtlich schaffte keine weitere Partei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die prorussische Allianz der Patrioten lag mit 4,99 Prozent knapp darunter.
Prowestlicher Kurs gestärkt
Beobachter sehen damit Georgiens prowestlichen Kurs gestärkt. Die Wahl galt als richtungsweisend, weil die Ex-Sowjetrepublik am Schwarzen Meer eine Annäherung an EU und Nato anstrebt und zugleich wegen eines Krieges 2008 zerrüttete Beziehungen zu Russland hat.
Ein ungelöster Streit um die von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien hemmt den West-Kurs. Die Führung in Tiflis hofft auch auf eine baldige Aufhebung der Visumpflicht für Reisen in die EU.
Kräfteverhältnisse noch nicht ganz geklärt
Trotz des deutlichen Trends bei der Stimmauszählung können sich die Kräfteverhältnisse im Parlament noch verschieben. Von 150 Sitzen werden 77 per Listenwahl vergeben. Die übrigen 73 sind Direktmandate, zu denen zunächst keine Zahlen vorlagen. Die Wahlleitung rechnet mit einer Stichwahl in vielen Wahlkreisen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest.
«Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die überwältigende Mehrheit unsere Partei unterstützt», meinte Irakli Kobachidse, ranghoher GD-Funktionär. Der Milliardär Bidsina Iwanischwili hatte die Partei 2012 gegründet. Kritiker werfen der aktuellen Parteispitze vor, Marionetten Iwanischwilis zu sein.
Zuwenig von Saakaschwili distanziert
Der Expertin Julia Bläsius zufolge erklärt sich der Vorsprung für GD teils damit, dass UNM noch immer einen schlechten Ruf hat in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Partei habe sich nicht genügend von Ex-Präsident Michail Saakaschwili distanziert, sagte die Chefin der Friedrich Ebert Stiftung in Tiflis.
Saakaschwili wird wegen Amtsmissbrauchs per Haftbefehl gesucht und lebt in der Ukraine. In den Wahlkampf hatte er sich aus der Ferne eingeschaltet. «Es kann sein, dass Saakaschwilis Einmischung der UNM eher geschadet als genutzt hat», meinte Bläsius.
Dutzende UNM-Anhänger protestierten in der Nacht vor der Wahlbehörde. Sie forderten eine Auszählung ohne Betrug. Regierungschef Giorgi Kwirikaschwili sagte indes: «Dies war eine wirklich freie und faire Wahl, die Georgiens Demokratie untermauert.»
Positive Wahl für OSZE
Die Stimmung im Wahlkampf war aufgeheizt. Vereinzelt gab es Attacken auf Kandidaten, die Parteien warfen sich Provokationen vor. Auch am Wahltag gab einzelne gewalttätige Zwischenfälle vor Wahlbüros.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von nicht hinnehmbaren Vorfällen, die aber der ansonsten positiven Wahl nicht geschadet hätten. «Georgien hat seinen Status als Anführer einer demokratischen Transformation in dieser Region bekräftigt», teilte die OSZE mit.
An der Wahl nahmen 52 Prozent der 3,5 Millionen Berechtigten teil und damit weniger als 2012 (62 Prozent). Die Wahl 2012 hatte zum ersten friedlichen Machtwechsel seit der Unabhängigkeit 1991 geführt.