Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat angesichts des abgestürzten Ölpreises und der hohen Inflation den wirtschaftlichen Notstand erklärt.
Das am Freitag veröffentlichte Dekret der sozialistischen Regierung sieht vor, dass mit der zunächst auf 60 Tage begrenzten Massnahme soziale Rechte sowie die Bereiche Bildung, Gesundheitssystem und Wohnungssektor geschützt und Kürzungen oder Einschnitte verhindert werden sollen. Zudem soll mit der Massnahme die Lebensmittel- und Medizinversorgung gesichert werden.
Milch und Eier werden rationiert
Im Land mit den grössten Ölreserven der Welt sind bestimmte Dinge wie Milch, Eier und einige Hygieneartikel seit Wochen immer schwerer zu bekommen. Es gibt Rationierungsmassnahmen – die Endnummer auf dem Personalausweis ist entscheidend, an welchem Wochentag im Supermarkt Grundnahrungsmittel wie Reis, Hühnchen und Kaffee gekauft werden dürfen.
Der Ökonom Luis Oliveros zeigte sich in der Zeitung «El Nacional» alarmiert. Damit könne grünes Licht gegeben werden für eine Enteignung von Unternehmen wie dem Lebensmittelkonzern Polar. Dessen Chef war von sozialistischen Politikern im Herbst als «Vaterlandsverräter» beschimpft worden, weil er angeblich eigenmächtig mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Milliardenhilfen für das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land verhandelt haben soll.
«Das Volk schützen»
Wirtschaftsminister Luis Salas sprach nun von Massnahmen, «um das Volk zu schützen». Das Dekret könne um weitere 60 Tage verlängert werden. Seit Tagen verschärfen sich neben der ökonomischen Krise Konflikte zwischen Exekutive und Legislative. Die Sozialisten warnen davor, das Erbe des gestorbenen Präsidenten Hugo Chávez zu zerstören, dessen Bilder die Opposition im Parlament abhängen liess.
Neben der politischen Polarisierung leidet das Land unter dem Sturz des Ölpreises unter die Marke von 30 Dollar, wodurch einkalkulierte Einnahmen zur Finanzierung der Sozialprogramme fehlen. Die Inflation soll zudem bei 250 Prozent liegen, es ist die höchste der Welt. Die Wirtschaftsleistung in Venezuela soll 2015 um sechs bis neun Prozent eingebrochen sein. Verschärft wird die Krise durch hohe Subventionen, vor allem für das Benzin.
Ölstaaten erhöhen ihre Benzinpreise
Auch in anderen Ölförderstaaten hinterlässt der Preisabsturz für das schwarze Gold immer deutlichere Spuren. Als Reaktion auf den anhaltenden Ölpreisverfall hat Katar die Benzinpreise im eigenen Land angehoben. Das arabische Emirat folgt damit anderen Golfstaaten, die vorher zu dieser Massnahme gegriffen hatten.
Ein Liter Benzin koste seit Freitag je nach Sorte zwischen 30 und 35 Prozent mehr, wie die staatliche Qatar News Agency meldete. Für einen Liter Super müssen Autofahrer in Katar demnach jetzt umgerechnet etwa 0,36 Franken bezahlen.
Dank seiner grossen Öl- und Gasreserven hat Katar das weltweit höchste Pro-Kopf-Einkommen. Dem Emirat macht aber der massive Rückgang des Ölpreises zu schaffen. In dieser Woche war bereits bekanntgeworden, dass Katar den US-Ableger des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera Ende April einstellt. Der Sender begründete den Schritt mit der wirtschaftlichen Situation in der Medienlandschaft.
Sorgen bei US-Bankern
Auch US-Bankmanagern treibt der Ölpreisrutsch tiefere Sorgenfalten auf die Stirn. Die Finanzhäuser Citigroup und Wells Fargo mussten Ende 2015 mehr Geld für ausfallgefährdete Kredite zurücklegen, weil immer mehr Firmen aus dem Energiesektor wegen des Ölpreisverfalls in die Bredouille geraten.
Die maue Nachfrage, die Überproduktion und die Aussicht auf die Rückkehr des Förderlands Iran an die Weltmärkte hat die Ölpreise am Freitag auf das niedrigste Niveau seit zwölf Jahren gedrückt. Das erschwert Firmen, die in den USA Schieferöl und -gas fördern, die Lage.
Notleidende Kredite befürchtet
Citigroup musste alleine im vierten Quartal rund 250 Millionen Dollar für faule Kredite an die Energiebranche zurücklegen. Wie hoch die Belastungen 2016 ausfallen, hänge davon ab, auf welchem Niveau sich der Ölpreis einpendle, erklärte das Institut.
Falls viele in der Öl-Industrie beschäftigte Amerikaner ihren Job verlieren, müssen sich die Bankanalysten auch im Privatkundengeschäft und der Immobilienfinanzierung auf Gegenwind einstellen.