Es ist Vormittag. Die Demonstranten kampieren, es ist friedlich auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. In der Nacht war die Stimmung noch ganz anders: Die Polizei rückte vor, bei Minustemperaturen, besetzte Teile des Platzes. Auf dem Maidan räumte die Polizei Einrichtungen der Opposition weg, verhaftete einzelne Regierungsgegner.
Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko äusserte sich auf Twitter empört über die Aktionen der Polizei in der Nacht.
Klitschko twittert
Bei Tagesanbruch wurde die Lage auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew dramatischer: Die Sicherheitskräfte versperrten mit Bussen den Eingang zum Kiewer Stadthaus und versuchten, das von der Opposition verbarrikadierte Gebäude zu stürmen.
Doch damit hatte Präsident Janukowitsch wohl nicht gerechnet. Tausende Einwohner aus Kiew strömten ins Zentrum. Sie protestierten lautstark gegen den Polizei-Einsatz, der ihnen völlig unnötig erschien.
Zu grosser Druck von innen und aussen
Janukowitsch gab klein bei, liess die Sicherheitskräfte abziehen. Gegen die zivile Gegenwehr wollte er nicht antreten. Janukowitsch kann denn auch aus einem anderen Grund nicht härter gegen die Demonstranten vorgehen: «Der internationale Druck, vor allem jener aus der EU, ist zu gross», sagt SRF-Korrespondent Christoph Franzen. Die Polizei greife deshalb mit angezogener Handbremse an, sagt Franzen.
Es sei jedoch überraschend, wie hartnäckig sich die Demonstranten halten, so der Korrespondent weiter. Alle politischen Mittel seien erfolglos genutzt worden – so etwa das Misstrauensvotum im Parlament.
Die Regierungsgegner errichten inzwischen wieder neue Barrikaden. So schnell dürften sie nicht aufgeben, denn der Konflikt ist immer noch der Alte: Die Demonstranten fürchten, dass Janukowitsch die Ukraine in eine Zollunion führen will, von Russland dominiert. Damit könnte sich das Land nicht der EU anschliessen.
Ukrainische Machtprobe – die Akteure
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Bild 1 von 9. Viktor Janukowitsch ist seit 2010 Staatspräsident der Ukraine. Er betont stets, dass eine Anbindung an die EU gewünscht sei. Stattdessen bindet er sich vermehrt an Moskau. Mit Demonstrationen hat er keine guten Erfahrungen gemacht. 2004 war er bereits als Wahlsieger proklamiert, bis ihn die Proteste der «Orangenen Revolution» das Amt kosteten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 9. Ministerpräsident Nikolai Asarow ist wie Staatspräsident Viktor Janukowitsch Mitglied der Partei der Regionen. Der Regierungschef wird von den Demonstranten für das Scheitern des EU-Abkommens auf dem Osteuropagipfel verantwortlich gemacht. Ein Misstrauensvotum gegen ihn im Parlament scheiterte jedoch. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. José Manuel Barroso steht als Vertreter der EU in dem Konflikt. Die EU hat mit der Ukraine Beitrittsverträge verhandelt, die Präsident Janukowitsch mit seiner pro-russischen Haltung torpediert hat. Barroso hat angeboten, im blutigen Machtkampf zu vermitteln. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Russlands Präsident Wladimir Putin verfügt über einen erheblichen Einfluss auf die Politik der Ukraine. Denn: Die Ukraine ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Moskau ist ausserdem Kiews wichtigster Handelspartner. Putin fürchtet durch eine Annäherung der Ukraine an die EU einen erheblichen Machtverlust. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Auch die Weltmacht USA mit Präsident Barack Obama kann die Augen vor den Geschehnissen in der Ukraine nicht mehr verschliessen. Die Regierung Obamas hat Viktor Janukowitsch aufgefordert, die tödlichen Strassenschlachten zu beenden. Andernfalls drohen Sanktionen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. Boxweltmeister Vitali Klitschko ist Vorsitzender der Partei Ukrainische demokratische Allianz für Reformen. Er kritisiert den pro-russischen Kurs und fordert EU-Sanktionen gegen die Regierung Janukowitschs. Der 42-Jährige ist einer zentraler Redner der Opposition und gewinnt zunehmend an Einfluss. 2015 will er als Präsidentschaftskandidat antreten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 9. Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ist im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Anklage stützte sich auf den Missbrauch öffentlicher Gelder und Amtsmissbrauch. In einem Schreiben fordert sie die Opposition zum Widerstand gegen die Regierung Janukowitschs auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Arseni Jazenjuk ist Ex-Aussenminister und Mitglied in Timoschenkos Vaterlandspartei. Er gilt als einer der Oppositionsführer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Oleg Tiagnibok (links) ist Chef der rechtspopulistischen Swoboda-Partei (Freiheitspartei). Er gilt als einer der Oppositionsführer, der mit Vitali Klitschko (rechts) zwar zusammenspannt, aber andere Interessen vertritt. Die Freiheitspartei vertritt nach Meinung viele Beobachter auch rechtsextreme Positionen. Bildquelle: Keystone.