Bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste sind nach Angaben einer Hilfsorganisation vermutlich 400 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Dies gehe aus Schilderungen von Überlebenden hervor, die in der süditalienischen Stadt Reggio Calabria angekommen seien, teilte die Organisation Save the Children mit. Eine Bestätigung der italienischen Behörden stehe noch aus, sagt SRF-Italienkorrespondent Franco Battel.
Ein paar Überlebende, viele Tote
Die italienische Küstenwache hatte am Montag 144 Flüchtlinge von einem Boot gerettet, das vor der Küste Libyens gekentert war. Neun Leichen wurden geborgen und eine grosse Rettungsaktion eingeleitet. Weitere Überlebende seien aber nicht gefunden worden, meldete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Küstenwache. Unter den Ertrunkenen sollen sich viele Jugendliche und Kinder befunden haben. «Immer mehr Jugendliche machen sich alleine ohne ihre Eltern auf den Weg nach Italien», sagt Korrespondent Battel.
Es wäre eine der schlimmsten Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer, seit im Oktober 2013 mehr als 360 Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa umgekommen sind. Das Unglück hatte eine grosse Diskussion um die Flüchtlingspolitik Europas ausgelöst.
Frühlingszeit, Flüchtlingszeit
Derzeit kommen tausende Migranten vor allem aus Ländern Afrikas südlich der Sahara und aus Syrien in Italien an. Viele Boote starten in Libyen, das vom Bürgerkrieg zerrissen ist. Seit Freitag rettete die Küstenwache etwa 8500 Menschen. Viele Auffanglager in Italien sind vollkommen überfüllt. Auf Lampedusa sollen 1400 Menschen in einem Lager sein, das für etwa 250 ausgelegt ist. «Weil die Winterstürme auf dem Meer vorbei sind und die Temperaturen steigen, wagen wieder mehr Menschen die gefährliche Reise über das Meer», sagt auch SRF-Korrespondent Philipp Zahn in Rom.
Angriff auf Rettungskräfte
Die Schlepper gingen immer brutaler vor, so der Korrespondent. Nicht nur schickten sie die Flüchtlinge auf kaum seetüchtigen Booten aufs Meer, sondern hätten beim Einsatz auf hoher See auch Rettungshelfer angegriffen, erklärt wiederum Battel. Nachdem die Helfer die Flüchtlinge gerettet hätten, hätten die Schlepper ihr Boot zurück haben wollen. «Sie haben dazu offenbar Schusswaffen eingesetzt.»
In Italien steige die Angst, dass sich unter den Flüchtlingen Terroristen befinden könnten. «Die rechtspopulistische Partei Lega Nord schlachtet dieses Thema regelrecht aus.» Sie polterten gegen Flüchtlinge und Illegale. Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi werde in nächster Zeit vermutlich einen schweren Stand haben, gegen diesen Populismus anzukommen, glaubt Battel.