Zu denen, die sich über das Nein der Schotten freuen, ist Malcolm Pender. «Das ist für mich und zwei Millionen Schotten das beste Ergebnis», sagt der in Glasgow lebende emeritierte Professor für Literaturwissenschaften. Er glaubt an die positiven Impulse der Kampagne – dass die seiner Ansicht nach in allen Teilen Grossbritanniens dringend nötigen Verfassungsänderungen nun wie versprochen Angriff genommen werden.
Gemeinsame Zukunft packen
Zu befürchten sei allerdings, dass nun aufgerissene Gräben im schottischen Volk Bestand haben könnten. «Es besteht kein Zweifel, dass das schottische Volk gespalten ist.» Es sei im Abstimmungskampf zu Gehässigkeiten auf beiden Seiten gekommen. Das sei sehr zu bedauern.
Immerhin hätten alle verantwortlichen Politiker nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses darauf hingewiesen, dass man nun zusammenkommen und sich um eine gemeinsame Zukunft kümmern müsse, so Pender.
«Es wurde totale Angst geschürt»
Schwer enttäuscht ist Bruno Baumgärtner. Der Schweizer hat sich vor einigen Jahren in Schottland niedergelassen und sich im Abstimmungskampf für eine Unabhängigkeit eingesetzt. Mit einem Ja habe man eigentlich nicht wirklich rechnen können, wenn man realistisch gewesen sei, sagt er. «Aber so zwei, drei Prozent Unterschied wäre richtig gewesen.»
Er führt das Nein der Schotten vor allem auf die massive Kampagne aus London zurück: Die Umfrage vor zwei Wochen, welche die Unabhängigkeits-Befürworter plötzlich knapp im Vorsprung gesehen habe, «hat totale Hektik in London verursacht». Die Politiker seien daraufhin mit Helikopter und Bahn nach Schottland gereist und hätten die Schotten eingeschüchtert. «Es war eine richtige Drohkulisse», sagt Baumgärtner.
«Dann kam noch die Frau Windsor und sagte, man solle sehr gut über eine Unabhängigkeit nachdenken.» Das heisse im königlichen Sprachgebrauch ja nichts anderes als «seid ihr eigentlich bedeppert, wenn ihr Ja stimmt».
Lieber Fussball als Politik
Doch dem Nein kann auch Baumgärtner unter gewissen Umständen etwas Positives abgewinnen: Wenn Premierminister David Cameron nun tatsächlich die regionale Autonomie und die dortigen Parlamente stärke wie versprochen, «dann haben wir sehr viel erreicht – eigentlich mehr, als mit einer Abspaltung», ist Baumgärtner überzeugt.
Die Bilder nach dem «Nein»
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Bild 1 von 13. Die Entscheidung ist gefallen: Schottland bleibt Teil Grossbritanniens. Wie hier in der Zentrale der Unabhängigkeitsgegner in Glasgow brach am frühen Morgen überall im Nein-Lager Jubel aus. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 13. Jubel und Trauer aber liegen in dieser Nacht nah beieinander. Auf dem George Square in Glasgow sind Tausende untröstlich, dass sie die Abstimmung verloren haben. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 13. Die Befürworter der Unabhängigkeit hatten gekämpft bis zum Schluss. Ein Trost: Der britische Premier David Cameron hat ihnen bereits mehr Rechte zugesagt. Im Bild: Eine traurige junge Frau aus dem Ja-Lager in Edinburgh. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 13. «Das Volk hat gesprochen und das Resultat ist klar», sagte Premier Cameron in einer ersten Reaktion am Morgen nach der Abstimmung. Er kündigte bereits für Januar einen Gesetzentwurf an, der eine erweiterte Autonomie für Schottland regeln soll. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 13. Er gehört zu den Gewinnern der Abstimmungsnacht: Alistair Darling. Der Labour-Politiker und ehemalige britische Schatzkanzler hatte die Kampagne für den Verbleib im Vereinigten Königreich angeführt. Er zeigte Verständnis für die Enttäuschung der Unabhängigkeitsbewegung. Es sei jetzt wichtig, das geteilte Land wieder zusammenzubringen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 13. Er hingegen ist der grosse Verlierer: Schottlands First Minister Alex Salmond hatte an vorderster Front für ein unabhängiges Schottland gekämpft. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 13. Sie stimmten «Nein»: Am Hauptsitz der «Better Together Campaign» in Glasgow freuten sich die Referendums-Gegner. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 13. Sie harrten die ganze Nacht aus – umso grösser war die Erleichterung am frühen Morgen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 13. Nach dem errungenen Sieg ist erst einmal ein Nickerchen angesagt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 13. Ein Ja zur Unabhängigkeit hätte die politische Landkarte Europas durcheinandergewirbelt, so viel steht fest. Auch an den Märkten wäre die Unsicherheit wohl zunächst gross gewesen. Dass Schottland nun beim Vereinigten Königreich bleibt, gab am Morgen nach der Abstimmung dem britischen Pfund Auftrieb. Im Bild: Eine Unabhängigkeitsgegnerin in Glasgow. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 13. Die Unabhängigkeitsbefürworter – im Bild zwei von ihnen in Edinburgh – räumten ihre Niederlage unumwunden ein. Insgesamt hatten nur 4 der 32 Wahlbezirke – drei in Glasgow und Umgebung sowie die Hochburg Dundee – für die Loslösung von Grossbritannien gestimmt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 13. Stimmauszählung in Aberdeen: Das Interesse am Referendum – das zeichnete sich bereits im Vorfeld ab – war riesig. Insgesamt beteiligten sich über 84 Prozent an der Abstimmung. Auch das dürfte historisch sein. Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 13. Um 6.10 Uhr Ortszeit – gut acht Stunden nach Schliessung der Abstimmungslokale – war der Entscheid nicht mehr zu kippen. In Grossbritannien bleibt zumindest geografisch alles beim Alten. Bildquelle: Reuters.