Die Flüchtlingskrise in Slowenien spitzt sich weiter zu. Binnen 24 Stunden seien mehr als 12'600 Flüchtlinge über die Grenze gekommen, teilte die slowenische Polizei mit. Dies ist ein Rekord – nicht einmal in Ungarn waren zum Höhepunkt der dortigen Krise im September so viele Menschen auf einmal angekommen.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat unterdessen im Fernsehen die südlichen Nachbarländer aufgefordert, Flüchtlinge zurückzuweisen und nicht um die ungarischen Grenzen herum weiterreisen zu lassen. Von Samstag bis Donnerstagfrüh kamen insgesamt rund 34'000 Flüchtlinge in Slowenien an. Mit zwei Millionen Einwohnern sieht sich das kleine EU-Land dem Andrang nicht gewachsen.
Hilferuf an die EU
Slowenien bittet deshalb die EU um Polizei-Hilfe bei der Bewältigung des Flüchtlingszustroms. Das Land habe bei anderen EU-Staaten um Polizei-Einheiten nachgefragt, sagte Innenministerin Vesna Gyorkos Znidar.
10'000 Flüchtlinge warteten am Donnerstagmorgen auf slowenischem Gebiet darauf, nach Österreich und schliesslich Deutschland weiterziehen zu können.
Weitere 2000 bis 3000 Menschen warteten am Morgen laut Polizei auf kroatischer Seite darauf, die Grenze zu Slowenien zu überqueren. Am Nachmittag will EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos Slowenien besuchen, um sich ein Bild der Lage zu machen.
Frierende Flüchtlinge
Die Sprecherin des Slowenischen Roten Kreuzes, Marijana Jarc, erklärt, dass es im Moment am dringendsten Zelte und Decken brauche, denn «es ist bereits sehr kalt dort, es herrschen Temperaturen von fast Null Grad». Das Rote Kreuz versuche, wenigstens Frauen und Kinder über Nacht in ein beheiztes Auffanglager zu bringen.
«Tages-Anzeiger»-Korrespondent Bernhard Odehnal beschreibt die Lage an der slowenischen Grenze als «chaotisch und dramatisch». Zur Kälte komme hinzu, dass die Leute völlig durchnässt seien: «Einige sind durch den Grenzfluss Sutla gewatet, standen bis zum Hals im Wasser und können sich nicht aufwärmen.»
«Torschlusspanik»
Viele von ihnen seien deshalb frustriert. «Es kommt immer wieder zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei und auch zwischen den Flüchtlingen», sagt Odehnal. Die Aggression steige, weil die Leute merkten, dass sie nicht so schnell weiterkommen.
Es herrsche eine Art Torschlusspanik: «Das hat damit zu tun, dass der Winter kommt, und damit die kalte Jahreszeit.» Viele Menschen aus den Flüchtlingslagern in der Türkei machten sich jetzt noch rasch auf den Weg.