Die Europäische Union will mit einer neu gewählten Regierung in der Ukraine erneut über die Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrags verhandeln. «Wir sind bereit, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen und dem Land in diesen schwierigen Zeiten zu helfen», sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Brüssel.
Neuwahlen im Mai
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, die Gespräche über das Abkommen sollten aber nicht mit der aktuellen Übergangsregierung, sondern erst mit einer neu gewählten und von der Bevölkerung legitimierten Führung aufgenommen werden.
Der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte die Unterzeichnung des Abkommens inklusive eines Freihandelsvertrags im November unter dem Druck Russlands gestoppt und damit die blutigen Proteste ausgelöst, die nun zu seiner Absetzung führten. Neuwahlen sollen am 25. Mai stattfinden.
Bildung einer Übergangsregierung
Derweil arbeitet die Opposition im Eiltempo an neuen politischen Strukturen. Erst am Wochenende ist der neue Parlamentschef Alexander Turtschinow zum Interimspräsidenten bestimmt worden. Am Montag steht nun möglicherweise die Entscheidung über einen neuen Regierungschef für eine Übergangszeit und ein «Kabinett des nationalen Vertrauens» an.
Die erst am Samstag aus der Haft entlassene frühere Regierungschefin Julia Timoschenko steht dafür nicht zur Verfügung. Sie will im Mai für das ukrainische Präsidentenamt kandidieren.
In seiner Ansprache an die Nation versprach Turtschinow am Sonntag einen Westkurs. «Wir müssen in den Kreis der europäischen Länder zurückkehren», betonte er. Trotzdem sei die Ukraine auch zu einem guten Verhältnis mit Russland bereit – vorausgesetzt, Moskau anerkenne die europäische Wahl der Ukraine. Russland seinerseits rief seinen Botschafter aus Kiew zu Konsultationen über die Lage nach Moskau zurück.
Milliardenhilfe nötig
Nicht nur politisch – auch wirtschaftlich kämpft die Ukraine. Sie benötigt nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (31 Milliarden Franken) Finanzhilfen.
Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. «Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren», so Kolobow.
Wirtschaftslage «katastrophal»
«Die Staatskasse ist geplündert, das Land ist so gut wie bankrott», erklärte Arseni Jazenjuk von der Partei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte die wirtschaftliche Lage in einer Ansprache an das Volk am Vorabend als «katastrophal» eingestuft.
In Kiew traf am Nachmittag die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton ein, die Krisengespräche mit der neuen Führung führen wollte. Dabei sollte es auch um Finanzhilfen gehen. Die EU sei grundsätzlich zu Finanzhilfen bereit, wenn es ein Reformprogramm der neuen Regierung gebe, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Zum möglichen Umfang der Hilfe machte er keine Angaben.
Zuvor hatte bereits IWF-Chefin Christine Lagarde angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit – im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt.
Krise in der Ukraine
-
Bild 1 von 22. Kiew, 22.2.: «Kämpft bis zum Ende!» – Oppositionsführerin Timoschenko richtete einen fllammenden Appell an die Ukrainer. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 2 von 22. Kiew, 22.2.: Die emotionale Rede von Timoschenko rührte viele Menschen auf dem Maidan-Platz zu Tränen. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 3 von 22. Kiew, 22.2.: Freuden-Feuerwerk über dem Maidan: Der Machtwechsel ist errreicht. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 4 von 22. Kiew, 22.2.: Jubel im Parlament: Die Abgeordneten haben Präsident Janukowitsch abgesetzt (ganz rechts: Vitali Kilitschko). Bildquelle: Reuters.
-
Bild 5 von 22. Kiew, 22.2.: Die Regierungsgegner haben in Kiew die Oberhand gewonnen. Das zuvor unbewachte Parlamentsgebäude ist in ihrer Gewalt, wie dieses Bild zeigt. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 6 von 22. Kiew, 22.2.: Ein einziger Farbklecks in dieser grauen, trostlosen Einöde des Konflikts: eine rote Rose. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 7 von 22. Kiew, 22.2.: Ist tatsächlich schon «peace», also Ruhe, in Kiew eingekehrt, wie dieser Aktivist zu glauben scheint? Bildquelle: Keystone.
-
Bild 8 von 22. Kiew, 22.2.: Dieser Aktivist ist deutlich gezeichnet vom Konflikt zwischen Regierungsgegnern und Polizei. Inzwischen haben sich beide Seiten geeinigt. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 9 von 22. 21.02.: Zwei erbitterte Gegner reichen sich die Hand: Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko (links) und Präsident Viktor Janukowitsch (rechts). Hinter ihnen in der Mitte: der deutsche Aussenminister Steinmeier, der den nun erzielten Kompromiss mit vermittelt hatte. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 10 von 22. 21.02.: Ist das die Wende zum Guten? Viktor Janukowitsch, Vitali Klitschko (2.v.l.), Vertreter der Opposition und der deutsche Aussenminister Steinmeier (l.) unterzeichnen am Nachmittag ein Abkommen. Demnach soll ein neues «Kabinett des nationalen Vertrauens» gebildet werden sowie eine baldige Abstimmung über den Staatschef stattfinden. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 11 von 22. Kiew, 21.2.: Noch in der Nacht war nicht absehbar, dass die Ereignisse diese Wendung nehmen würden. Vermummte Aktivisten formieren sich vor einem Bus, in dem sich gefangen genommene Polizisten befinden. Sie werden später freigelassen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 12 von 22. Kiew, 21.2.: Am Morgen dann lieferten sich Aktivisten und Polizei erneut Feuergefechte. Auf dem Maidan selbst herrscht derweil überraschend Ruhe. Die Kämpfer konnten für einmal ohne Gefahr ruhen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 13 von 22. 21.02: Später dann verwandelte sich der Maidan immer mehr zum Volksfestgelände. Eigentlich ein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele Menschen keine 24 Stunden zuvor hier noch getötet worden waren. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 14 von 22. 21.02.: Dieser Kämpfer liess sich sogar auf der Barrikade zeichnen – als hätte es den Wahnsinn des Tages zuvor gar nicht gegeben. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 15 von 22. 21.02.: Doch auch besinnliche Momente gab es in dem bunten Trubel. Hier beten Bewohner der Hauptstadt für den Frieden im Land und die Opfer der bisherigen Kämpfe. Über 70 Menschenleben forderten die Auseinandersetzungen bisher. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 16 von 22. 20.02.: Regierungsgegner verbrennen Autoreifen. Der Rauch soll die Sicht der Scharfschützen auf die Protestierenden erschweren. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 17 von 22. 20.02.: Die Auseinandersetzungen in der Ukraine werden schärfer. Dieses blutverschmierte Schutzschild hat in der Mitte ein Einschussloch. Das Blut stammt von seinem Kameraden, der ums Leben kam. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 18 von 22. 20.02.: Trotz vereinbarter Waffenruhe gehen die Zusammenstösse weiter, Menschen werden getötet und verletzt. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 19 von 22. 20.02.: Ein orthodoxer Priester betet für die jüngsten Opfer des Konflikts. Augenzeugen sprechen von zehn bis zwölf Toten, die in die Lobby des Hotels Ukraine gebracht wurden. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 20 von 22. 20.02.: Ein Bild wie aus einem Kriegsgebiet, der Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 21 von 22. 19.02.: Pflastersteine dienen als «Munition» gegen die Sicherheitskräfte. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 22 von 22. 19.02.: Einige gewaltbereite Regierungsgegner bereiten Molotow-Cocktails vor. Bildquelle: Reuters.