Die Militäroffensive von syrischen Regierungstruppen in Aleppo ist international scharf kritisiert worden. Bevor UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eine Dringlichkeits-Sitzung des Sicherheitsrates für Sonntag um 17 Uhr (MESZ) ankündigte, erklärte er in New York: «Ich bin entsetzt über die eiskalte militärische Eskalation.» Die Bewohner Aleppos seien den schlimmsten Angriffen seit dem Beginn des Syrien-Konfliktes ausgesetzt.
Besonders scharf reagierte er auf Berichte, wonach die syrische Luftwaffe bunkerbrechende Bomben einsetzt bei ihren Angriffen auf von Rebellen kontrollierte Stadtteile Aleppos. Der systematische Einsatz derartiger Waffen in dichtbesiedelten Gebieten käme einem Kriegsverbrechen gleich, so Ban. Bunkerbrechende Bomben lassen mehrstöckige Gebäude wie Kartenhäuser zusammenfallen und zerstören selbst Keller.
Die Aussenminister der USA, Deutschlands, Grossbritanniens, Frankreichs und Italiens stellten in einer gemeinsamen Erklärung zusammen mit der EU-Chefdiplomatin Forderungen an Russland: Dieses müsse nun «beweisen, dass es willens und fähig ist, aussergewöhnliche Schritte zu ergreifen, um die diplomatischen Bemühungen» um eine Waffenruhe in Syrien zu retten. Eine von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe war Anfang Woche gescheitert.
Überfüllte Kliniken, prekäre Zustände in Aleppo
Nach Angaben von Aktivisten hatten syrische und russische Kampfjets am Samstag den fünften Tag in Folge die Rebellengebiete im Osten Aleppos bombardiert und dabei schwerste Zerstörungen angerichtet. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge, deren Berichte sich allerdings nur schwer überprüfen lassen, wurden allein am Samstag 45 Zivilisten getötet. Am Vortag waren es demnach 47 Tote.
Laut dem UNO-Kinderhilfswerks UNICEF sind zudem fast zwei Millionen Menschen in ganz Aleppo von der Wasserversorgung angeschnitten. Die Kliniken in Aleppo sind nach Angaben eines AFP-Reporters überfüllt, wegen fehlender Betten liegen viele Verletzte vor Schmerzen wimmernd auf dem Boden. Ambulanzen können die Strassen wegen fehlender Beleuchtung und Treibstoffmangels kaum passieren, Trümmerberge versperren oftmals den Weg.
Syrisches Militär bereitet Bodenoffensive vor
Die Luftangriffe auf die von den Rebellen kontrollierten Viertel sollen eine Bodenoffensive vorbereiten, mit der die syrische Armee die seit 2012 zwischen Rebellen und Regierungstruppen geteilte Stadt vollständig zurückerobern will.
Syriens Aussenminister Walid Muallem verteidigte das Vorgehen der Regierungstruppen. Damaskus glaube an einen Sieg, insbesondere, seit seine Truppen mit der Unterstützung durch Moskau, Teheran und die libanesische Hisbollah-Miliz «grosse Fortschritte in seinem Kampf gegen den Terrorismus» mache, sagte er vor der UNO-Vollversammlung. Damaskus bezeichnet alle Gegner als «Terroristen».
Muallem beschuldigte zudem die USA, mit Absicht syrische Regierungstruppen bei Deir Essor bombardiert zu haben. Bei den Luftangriffen von Kampfflugzeugen der US-geführten Militärallianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) waren vor einer Woche mehr als 90 syrische Soldaten getötet worden.
Die Militärallianz gab später an, die Stellungen der Regierungstruppen versehentlich bombardiert zu haben. Eigentlich hätten sich die Angriffe gegen IS-Kämpfer gerichtet.