Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini ist bislang die einzige des Brüsseler Spitzenpersonals, welche sich zum Rücktritt des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu äusserte. Sie meint, man könne noch nicht genau sagen, was dies für die Flüchtlingskooperation bedeute.
Trotzdem dürften die Entwicklungen in Ankara manche Spitzenpolitiker in Brüssel und in europäischen Hauptstädten beunruhigen. Denn Davutoglu war der Mann, der in den letzten Wochen und Monaten immer wieder nach Brüssel kam. Er nahm an den Gipfeln zwischen der EU und der Türkei teil.
Er gilt in Brüssel als verlässlich. Zu ihm konnten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel offensichtlich Vertrauen aufbauen, so dass sie gemeinsam das Türkei-Abkommen mit dem Flüchtlingspakt aushandeln konnten. Nun verlieren sie ihren Gesprächspartner.
Übrig bleiben Staatspräsident Erdogan – für viele ein machtbesessener, unberechenbarer Provokateur – und seine Getreuen. Das könnte zu wachsendem Unmut, insbesondere im EU-Parlament führen.
Flüchtlingsabkommen auf der Kippe?
Geplant ist, dass Türkinnen und Türken künftig ohne Visum in die EU einreisen können. Der Widerstand dagegen dürfte zunehmen. Zumal nicht davon auszugehen ist, dass die Türkei bis Ende Juni alle Bedingungen restlos erfüllt haben wird. Und dies scheint nach dem Rücktritt von Davutoglu noch unwahrscheinlicher.
So wird in den nächsten Tagen und Wochen die Unsicherheit zunehmen. Ein Scheitern der Visa-Liberalisierungen ist nicht auszuschliessen. Und dann dürfte sich Erdogan auch nicht mehr an das Flüchtlingsabkommen gebunden fühlen.