SRF News: Im Fussball geht es um horrende Summen, die Verflechtungen sind eng. Ist es da nicht einfach logisch, dass das Business korrupt ist?
Sylvia Schenk: Doch, das Korruptionsrisiko ist gross im Fussball. Zur Korruption gehören aber immer zwei Seiten: Eine, die Bestechungsgeld annimmt und eine, die es zahlt. Das heisst, es gibt auch Probleme im Bereich der Fernsehrechte-Vermarkter, der Marketing-Industrie insgesamt und der Sponsoren. Auch sie gehören zur Seite der Korruption. Hinzu kommen Korruptions-Probleme in ganz vielen Ländern. Es ist nicht verwunderlich, dass aus diesen Ländern Sportfunktionäre kommen, welche die Korruption auf internationaler Ebene fortsetzen.
Die Uefa, die europäische Fussballunion unter Michel Platini, hat am meisten Widerstand geleistet, später aber doch immer wieder nachgegeben. Was könnten die Europäer konkret gegen die Korruption bei der Fifa leisten?
Die Uefa ist Teil des Problems.
Zuerst müsste die Uefa etwas gegen die Korruption im europäischen Fussball tun. Da gibt es nämlich auch genug Probleme: Denken Sie nur an Italien und einige osteuropäische Länder. Die Uefa setzte sich vor zwei Jahren nicht für eine Amtszeitbegrenzung in der Fifa ein, obwohl sie die Möglichkeit dafür gehabt hätte. So hätte Blatter nämlich gar nicht mehr kandidieren können. Auch hatte Platini vor einem Jahr nicht den Mut, sich für eine Kandidatur bereitzuerklären. Denn dann sähe es heute ganz anders aus. Kurz: Die Uefa ist ein Teil des Problems. Wenn sie nun endlich aufwachen und die richtige Strategie fahren würde, dann könnte sich etwas bewegen.
Blatter sagt, er könne unmöglich alle kontrollieren. Da hat er doch recht?
Grundsätzlich hat Blatter recht. Das kann kein Fifa-Präsident. Dennoch: Über Jahre ging er nicht konsequent gegen Ungereimtheiten vor – auch dann nicht, als solche im engeren Umfeld der Fifa auftauchten. Er hat jahrelang die Augen verschlossen. Er muss von den meisten Vorkommnissen gewusst haben, nutzte das für seinen Machterhalt und begann viel zu spät und zu zögerlich damit, Gegensteuer zu geben.
Blatter muss von den meisten Vorkommnissen gewusst haben, nutzte das für seinen Machterhalt und begann viel zu spät und zu zögerlich damit, Gegensteuer zu geben.
Wieviel vom Korruptionsproblem der Fifa ist ein Problem des Systems Blatter?
Das lässt sich schwer quantifizieren. Ich würde nicht von einem System Blatter sprechen. Es hat etwas zu tun mit der Struktur eines internationalen Sportverbandes. Das ist beim Fussball nicht anders als bei den meisten anderen internationalen Sportverbänden. Auch spielt Korruption in der Wirtschaft und in ganz vielen Ländern eine Rolle. All das hängt zusammen. Nur bei Blatter und der Fifa anzusetzen reicht nicht, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Hätte ein neuer Kopf denn überhaupt etwas geändert?
Ein neuer Kopf wäre ein wichtiges Signal für die Bereitschaft der Fifa gewesen, dass etwas geändert werden muss. Es hätte der Fifa neue Glaubwürdigkeit gebracht. Dennoch: Ein neuer Kopf alleine ändert noch nichts.
Ein neuer Kopf hätte der Fifa neue Glaubwürdigkeit gebracht.
Sie sagen, man müsste mehr tun. Woran denken Sie konkret?
Ein paar Schritte hat die Fifa schon getan: Sie beschloss Teile eines sogenannten Compliance-Programm. Doch muss dieses auch umgesetzt werden. Es braucht Schulungen für die Funktionäre, man muss deutlich machen, dass es um einen Kulturwandel geht. Damit hat die Fifa aber noch nicht angefangen. Auch fehlen in dem Programm wichtige Punkte wie eine Amtszeitbeschränkung oder eine Offenlegung der Einnahmen des Fifa-Exekutiv-Komitees. Schliesslich gilt es auch zu beobachten, was in den nationalen und kontinentalen Verbänden geschieht.
Die Fifa rühmt sich damit, Reformen anzupacken. Wie ernst ist es dem Verein wirklich?
Mit Blick auf die Ausschreibungskriterien für die Fussballweltmeisterschaft 2026 gibt es meines Wissens tatsächlich einige Änderungen, was Menschenrechte, internationale Arbeitsstandards und Antikorruptions-Massnahmen betrifft. Da scheint sich im Hintergrund etwas zu bewegen. Nun gilt es den öffentlichen Druck zu nutzen, damit dieses Engagement weiter geht.
Das Gespräch führte Simone Fatzer.