Im pleitebedrohten Zypern sind die Banken wieder geöffnet worden. Seit 16. März können die Zyprer erstmals wieder Bankgeschäfte in den Filialen erledigen. Vor den Zweigstellen in der Hauptstadt Nikosia warteten Menschen ungeduldig auf Einlass.
Dank der Warnungen, die seit Stunden im Radio und im Fernsehen ausgestrahlt wurden, blieb der befürchtete «Bank Run» – also ein Massenansturm auf die Banken – zunächst aus. Seit Mitte März war die Bargeldversorgung nur noch an Geldautomaten möglich. Andere Bankgeschäfte ruhten.
«Alles nach Plan gelaufen»
«Alles läuft gut. Ich bin zufrieden», sagte der zyprische Abgeordnete Prodoromos Prodromou am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Der Politiker stand auf dem zentralen Eleftherias Platz im Zentrum Nikosias, um die Öffnung der Banken zu beobachten.
In einem Bericht des staatlichen Fernsehens (RIK) hiess es:«Wenn das so weiter geht, dann werden wir sagen können: Alles nach Plan gelaufen.» Die Filialleiter der Banken standen in den meisten Fällen vor den Bankeingängen und liessen die Kunden in kleineren Gruppen in die Banken. «Kein Zwischenfall», sagte ein Filialleiter der Bank of Cyprus im Zentrum Nikosias.
Aufruf zur Ruhe
Polizeistreifen zeigten seit den frühen Morgenstunden in der Innenstadt Präsenz und fuhren von Bank zu Bank. Zusätzlich waren vor den Türen der Banken private Sicherheitsdienste im Einsatz.
Im Fernsehen wurde berichtet, die Bankkunden sollten in Gruppen von zehn Personen eingelassen werden, um Tumulte zu verhindern.
Harte Regeln der Notenbank sollen verhindern, dass die Banken sofort nach Öffnung ausbluten. Die zyprische Zentralbank war laut Medienberichten am Vortag mit 5 Milliarden Euro Bargeld ausgestattet worden. In allen Radio- und Fernsehsendern riefen Sprecher von Behörden und Institutionen zur Ruhe auf: «Nicht in die Banken strömen. Was man heute nicht erledigen muss, kann man auch morgen machen», sagte Aliki Stylianou, die Sprecherin der Zentralbank Zyperns.
Viele Menschen auf Zypern sind wütend und verzweifelt über die Zahlungsbeschränkungen. Die Verbitterung ist enorm. «Die Haie sind gekommen und haben unser Geld gefressen. Hier müssten nicht Menschen stehen. Hier müssten Galgen stehen», sagt ein Rentner vor einer Bank.
Viele Zyprer zeigen sich verärgert über Kamerateams, die den Menschen auf die Pelle rücken und Gedränge erzeugen. Vereinzelt kommt es zu Drohgebärden.
Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades bedankte sich bei allen zyprischen Bürgern für ihr Verhalten. Anastasiades lobte seine Mitbürger für deren «Reife». Die Zyprer hätten gezeigt, dass sie «es nicht nur wollen, sondern es auch können», ihr Land aus der Krise zu führen.
Börse zu – EU mit Vorgehen zufrieden
Die Börse in Zypern bleibt geschlossen. Bis zum 1. April werde nicht gehandelt, teilte der Börsenbetreiber mit. Zuletzt hatte die zyprische Börse am 15. März geöffnet. Diese Massnahme erklärt sich SRF-Korrespondent Werner van Gent damit, dass nach dem Bankenkrach nicht noch ein Börsencrash kommen soll. Man wolle das System langsam ankurbeln und dann schauen, ob das Geschäftsmodell Zypern überleben könne, sagte Van Gent in der «Tagesschau».
Die EU-Kommission bezeichnete die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen in Zypern als berechtigt. Sie sollten jedoch nicht zu lange in Kraft bleiben, hiess es in einer Erklärung. Die Kommission werde überprüfen, ob eine Änderung oder Ausweitung der Massnahmen erforderlich sei.
Laut Artikel 63 bis 65 des EU-Vertrages dürften EU-Staaten unter bestimmten Umständen den freien Kapitalverkehr beschränken, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig sei, wie die EU-Kommission mitteilt. Dazu gehörten auch Kapitalkontrollen. Laut Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei dies auch aus Gründen des öffentlichen Interesses erlaubt.
Diese Gründe lägen im Fall Zyperns vor. «In der aktuellen Situation ist die Stabilität der Finanzmärkte und des Bankensystems in Zypern eine Sache des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Ordnung, weswegen zeitlich befristete Einschränkungen des Kapitalverkehrs erlaubt sind», schrieb die EU-Kommission in einer Stellungnahme.
Gerüchte, wonach grosse Sparguthaben noch transferiert wurden, nachdem die Banken geschlossen hatten, konnte Van Gent bestätigen. Man rechnet mit 200 bis 300 Millionen Euro, die nach der Schliessung der Banken noch ins Ausland geflossen sind. Zudem seien die Filialen der zyprischen Banken in Moskau und London noch länger offen gewesen. «Da hätten einige Insiderinformationen gehabt», sagt Van Gent weiter.