Tag eins des Fastenmonats Ramadan: Hektik in der kleinen Bäckerei, wo ein paar Männer im Sekundentakt den typischen Ramadan-Pfannkuchen Atayef backen und frittieren. Dichtgedrängt steht die Kundschaft vor dem Laden beim Damaskus-Tor, dem Eingang zum muslimischen Viertel in der Altstadt von Jerusalem.
Um die nächste Ecke hackt ein Metzger Fleisch. Aber die Gasse, in der er sein Geschäft hat, ist fast menschenleer. Viele Geschäfte sind geschlossen. Die Kundschaft aus dem palästinensischen Westjordanland fehlt, weil sie die israelischen Behörden nicht nach Jerusalem kommen lassen.
Gazakrieg in Jerusalem allgegenwärtig
«Wir wissen nicht, ob wir jetzt in der Al-Aksa-Moschee beten dürfen oder nicht», sagt der Metzger. Viele würden deshalb abwarten, was weiter geschehe. «Wer will schon für ein festliches Fastenbrechen-Mahl einkaufen, solange Kinder im Gazastreifen getötet werden oder verhungern?»
Der Gazakrieg wirke sich in jeder Hinsicht auf die Altstadt in Jerusalem aus, sagt Falestin. Die Muslimin sitzt alleine in ihrem Laden für Haushaltsartikel. «Die meisten haben Angst, in die Altstadt zu kommen: Sie befürchten, angegriffen oder verhaftet zu werden.» Und sie wüssten, was im Gefängnis mit ihnen geschehe.
Angespannte Atmosphäre
Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hat Israel im Westjordanland und in Jerusalem tausende Palästinenserinnen und Palästinenser verhaftet. Die Organisation Ärzte für Menschenrechte Israel spricht von menschenunwürdigen Haftbedingungen und Folter.
Zum Gebet am späten Nachmittag kommen nur wenige. Es hat sich herumgesprochen, dass die Sicherheitskräfte nur ältere Muslime in die Al-Aksa-Moschee lassen. Die Anspannung in der Altstadt von Jerusalem ist nicht nur im muslimischen Viertel spürbar.
Verängstigte Kinder
Zak, der christliche Besitzer eines Souvenirladens, sagt, er fühle sich hier als Araber nicht mehr wohl. «Als ich heute in der Altstadt unterwegs war, rief mir einer zu: Geh nach Gaza!» Weil er Araber sei, gelte er als Terrorist, sagt Zak. Viele palästinensisch-christliche Familien fühlten sich zunehmend bedroht und würden wegziehen.
Er habe mehrere Kinder, darunter eine 16-jährige Tochter. «Meine Frau hat dauernd Streit mit ihr, weil sie kontrolliert, was die Tochter auf Instagram postet. Und wenn unsere Kinder mit dem Bus von der Schule nach Hause fahren, haben wir Angst, dass sie auf dem Heimweg getötet werden.»
Ich habe keine Angst zu sagen, dass wir Palästinenser töten. Wenn sie uns töten, töten wir sie. So ist Krieg nun einmal.
Im benachbarten jüdischen Viertel will gar niemand reden. Ausser der 17-jährige Shlomo. Er sitzt alleine in einem Café und raucht. «Während des Holocausts wurden sechs Millionen Juden getötet. Ich habe keine Angst zu sagen, dass wir Palästinenser töten. Wenn sie uns töten, töten wir sie. So ist Krieg nun einmal.»