Der Argentinier Tomás Ojea Quintana hatte keine einfache Aufgabe: Er war die letzten sechs Jahre UNO-Sonderberichterstatter für Nordkorea. Sechs Jahre, in denen sich die dortige Menschenrechtslage ständig weiter verschlechtert hat. Sechs Jahre, in denen das Regime unverdrossen Mittel in sein Atomprogramm gesteckt und letzthin – im Schatten des Ukraine-Kriegs – eine Rekordzahl von Raketentests durchgeführt hat.
Bald endet sein Mandat im UNO-Menschenrechtsrat. Kein Wunder, dass Ojea Quintana nun an einer Medienkonferenz eine bittere Bilanz zog. Das Schlimmste sei die Sprachlosigkeit. Das Fehlen jeglicher Kommunikation. Die Selbstisolierung Nordkoreas.
Aufgrund der Corona-Gefahr riegle sich das Land seit mehr als zwei Jahren fast total ab. Um diese selbst errichtete Mauer zu durchbrechen, müsse die Weltgemeinschaft Nordkorea in grossem Umfang Corona-Impfstoffe anbieten. Pjöngjang könnte dann die Grenzen wieder öffnen, die UNO wieder tätig werden, ebenso Nichtregierungsorganisationen und ausländische Botschaften.
Damit käme hoffentlich der Dialog allmählich wieder in Gang. Das liege im dringenden Interesse der nordkoreanischen Bevölkerung, betont Ojea Quintana. Deren Schicksal sei dramatisch.
Der UNO-Sonderberichterstatter erwähnt auch ein neues Gesetz, das die Beschaffung von Informationen aus ausländischen Quellen unter Todesstrafe stellt, und er spricht von einem Schiessbefehl an der Grenze auf Landflüchtige.
Insgesamt verschlechtere sich die politische, die wirtschaftliche und die Menschenrechtslage in Nordkorea weiter – selbst die kurze Phase der Direktgespräche von Kim Jong-un mit Ex-US-Präsident Donald Trump zeigte kaum positive Effekte.
Waffen statt Brot
Geradezu katastrophal sei auch die humanitäre Lage, so der erfahrene Menschenrechtsanwalt, der zuvor UNO-Sonderberichterstatter für Myanmar war und sich bei der Aufarbeitung der Verbrechen der Militärjunta in seinem Heimatland Argentinien einen Namen machte.
40 Prozent der Bevölkerung litten an Hunger oder Unterernährung. Nur drei von zehn Kleinkindern unter zwei Jahren bekämen das Essen, das sie bräuchten. Doch statt sich darum zu kümmern, stecke das Regime rund ein Fünftel des Bruttoinlandprodukts in die Rüstung, vor allem in sein Atom- und Raketenprogramm. Das ist, gemessen an der Wirtschaftskraft, das 10- bis 20-fache dessen, was europäische Länder für Verteidigung ausgeben.
Chinas schützende Hand
Die nukleare Hochrüstung gefährde die Sicherheit in der ganzen Region. Deshalb fordert der abtretende UNO-Sonderberichterstatter ein aktiveres Engagement von UNO-Generalsekretär António Guterres, gute Dienste und Friedensbemühungen. Die Lage könne rasch eskalieren – erst recht jetzt, da der Ukraine-Krieg die Weltaufmerksamkeit monopolisiere.
Die grosse Mehrheit der Mitgliedsländer des UNO-Menschenrechtsrates teilt Ojea Quintanas Schlussfazit, darunter die Schweiz, deren Vertreter zwar nicht von Resignation, jedoch von Frustration sprach. Einzelne Staaten, allen voran China, mochten indes nicht das nordkoreanische Regime kritisieren, vielmehr den UNO-Sonderberichterstatter. Er solle die Dinge korrekt darstellen und unparteiisch auftreten. Ganz allein steht das Kim-Regime also nicht.