Der Gewerkschaftsbund Israels hat zum Generalstreik aufgerufen – das Land soll heute lahmgelegt werden. Damit soll der Druck auf die Regierung erhöht werden, ein Abkommen mit der Hamas zu schliessen und die Geiseln freizubekommen. Am Wochenende wurden im Gazastreifen sechs Leichen von Geiseln gefunden, was zu einem erneuten Anstieg der Proteste geführt hat. Laut Medienberichten wurden die Geiseln nur wenige Stunden vor ihrer Entdeckung erschossen.
Teilnehmer des Streiks
Gestern fand bereits eine grosse Demonstration statt. Der heutige Streik wird in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens befolgt. Ein Grossteil des öffentlichen Sektors und viele aus der Privatwirtschaft machen mit. Viele Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen. Das Schuljahr hat gerade erst begonnen, und die Kinder sind bereits wieder zu Hause.
Auch der Flughafen in Tel Aviv hält symbolisch für zwei Stunden inne. Regierungsnahe Stadtverwaltungen vor allem im besetzten Westjordanland, die der rechtsreligiösen Regierung nahestehen, verweigern den Streik.
Mit den Protesten und dem Streik wollen die Organisatorinnen und Organisatoren mehr Druck machen auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israels Regierung soll endlich ein Abkommen schliessen mit der Hamas, damit die verbleibenden Geiseln freigelassen werden.
Die Wirkung der heutigen Aktion bleibt abzuschätzen, sagt Nikolaus Wildner. Er berichtet für den österreichischen Rundfunk ORF aus Israel. Es handele sich aber um eine neue Eskalationsstufe der Öffentlichkeit und der Wirtschaft gegenüber der Regierung.
In Anbetracht des Umfangs der Proteste könnte Premier Benjamin Netanjahu besorgt sein. Das heisst es zumindest in unbestätigten und namentlich nicht genannten Gerüchten und Quellen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob der Protest von Dauer ist oder bald abflaut.
Klar ist aber, so Journalist Wildner: «So ein organisiertes, massives Aufbäumen der Bevölkerung und auch der Wirtschaft gegen den eigenen Regierungschef haben wir seit dem 7. Oktober nicht gesehen. Deswegen kann es sein, dass hier ein neuer Trend geschaffen wird und eine Kehrtwende stattfinden könnte.»
Wie geht es weiter?
Netanjahu wird voraussichtlich abwarten. «Er wird versuchen, sich möglichst bedeckt zu halten. Er wird darauf spekulieren, dass dieser Protest wieder abflaut», sagt Nikolaus Wildner. Die Bevölkerung ist sich dessen bewusst. Und die Frage bleibt, wer in dieser angespannten Lage den längeren Atem hat.
Kritiker werfen Netanjahu vor, dass er dem Chef seines Sicherheitsapparates widerspricht, der die Risiken eines Deals als kalkulierbar ansieht. Sie sagen, er würde den Prozess hinauszögern, um sich als «Kriegspremier» im Amt zu halten.
Die Menschen in Israel fordern, dass das Leben der lebenden Geiseln und die Würde der verstorbenen Geiseln unbedingt geschützt werden müssen. Damit könnten die Werte der Gesellschaft und auch das Vertrauen in den Staat wiederhergestellt werden. Viele sind sich einig, dass die Ermordung der sechs Geiseln im Gazastreifen eine rote Linie überschritten hat. Sie hegen den Wunsch, die verbliebenen Geiseln lebend zu befreien. Und dies müsse für die israelische Regierung an erster Stelle stehen.