Eigentlich wollte der frühere brasilianische Präsident Jair Bolsonaro im Mai eine Einladung seines Verbündeten Benjamin Netanjahu nach Israel annehmen. Aber aus der Reise wird wohl nichts. Bolsonaro darf Brasilien nicht verlassen.
Hintergrund sind Ermittlungen der Justiz gegen Bolsonaro in gleich mehreren Fällen. Die Vorwürfe: Veruntreuung von Staatsgeschenken und Fälschung von Impfpässen während der Corona-Pandemie. In einem dritten Verfahren geht es um nichts weniger als um die brasilianische Demokratie: Bolsonaro wird verdächtigt, nach seiner Abwahl Ende 2022 einen Putschversuch geplant zu haben, um sich an der Macht zu halten.
Sein Anwalt tut es ab: Da sei nichts dran. Doch das Gericht scheint das anders zu sehnen. Es vermutete gar Fluchtgefahr, deshalb wurde Bolsonaros Reisepass eingezogen.
Welche Rolle spielte Jair Bolsonaro?
Die Bilder eines wütenden Mobs, der am 8. Januar 2023 die Institutionen der Hauptstadt verwüstete und auf Transparenten einen Militärputsch forderte, sind in Brasilien noch gut im Gedächtnis. Viele fragen sich: Welche Rolle spielte Jair Bolsonaro? Kurz zuvor hatte er die Wahlen verloren, aber den Wahlsieg von Lula da Silva nie explizit anerkannt.
Guilherme Simões Reis ist Politikprofessor an der Universidade Federal do Estado do Rio de Janeiro (UNIRIO) und verfolgt die Ermittlungen in allen Details. Vieles deute darauf hin, dass Bolsonaro tatsächlich einen Putsch geplant habe. «Aber es fehlte ihm an Unterstützung im Militär», erklärt Simões Reis. «Die Kommandanten von Luftwaffe und Armee bestätigten in ihren Aussagen die Putschpläne, sie waren dagegen. Nur die Marineführung war für einen klassischen Militärputsch.»
Es werde darum immer schwieriger für Bolsonaro, sich gegen die Vorwürfe zu wehren: «Die Indizien häufen sich.» Dazu gehört ein Entwurf für ein Dekret zum Ausrufen des Verteidigungszustandes. Mit anderen Worten: Bolsonaro plante womöglich, das Wahlergebnis zu annullieren.
Lange vor den Wahlen hatte Bolsonaro immer wieder Zweifel am Wahlsystem geschürt. Das Oberste Gericht erkannte darin eine «Desinformationskampagne» und beschloss bereits im vergangenen Jahr: Bis zum Jahr 2030 darf Bolsonaro nicht für öffentliche Ämter kandidieren.
Intensivierte Ermittlungen
Immer wieder gab es in den letzten Monate Gerüchte, dass eine Verhaftung Bolsonaros unmittelbar bevorstünde. Zuletzt im Februar, als die Ermittlungen sich intensivierten und einige Vertraute Bolsonaros festgenommen wurden.
Diese Woche kam nun heraus: Ausgerechnet in dieser Zeit verbrachte der frühere Präsident zwei Tage in der ungarischen Botschaft. Das belegen Bilder von Überwachungskameras der Botschaft, die von der «New York Times» veröffentlicht wurden. Viele in Brasilien fragen sich: Wollte Bolsonaro womöglich politisches Asyl beantragen und so einer Verhaftung entgehen? Inländische Behörden haben zu Botschaften keinen Zugang.
Die Justiz ermittelt und das Aussenministerium hat für kommende Woche einen Vertreter der ungarischen Botschaft einbestellt. Der Ex-Präsident wiederum sieht sich als politisch Verfolgter. Es sei lediglich für politische Gespräche in der Botschaft gewesen: «Ich pflege Freundschaften mit Staatschefs aus der ganzen Welt. Punkt.»