Die Situation im Osten der Ukraine bleibt angespannt. Dort rücken die russischen Truppen weiter vor. Aktuellen Berichten zufolge steht die Stadt Krasnohoriwka in der Region Donezk kurz vor der vollständigen Eroberung durch die russischen Streitkräfte. Das berichtet die russische Nachrichtenagentur Tass.
Noch ist die Stadt nicht eingenommen, doch der grösste Teil der Stadt wird von den Russen kontrolliert. Und vermutlich werde sie früher oder später fallen, erklärt Ivo Mijnssen, der Ukraine-Korrespondent der NZZ.
Die Stadt ist für die Russen vor allem für den südöstlichsten Frontabschnitt im Donbass von Bedeutung. Die Ukrainer können von dort aus den Nachschub der Russen auf die Krim unterbrechen. Und für die Russen ist der Vorstoss ein weiterer Schritt, um den eigenen Nachschub auf die Krim über den Landweg zu verbessern.
«Die Russen drücken. Das hat auch stark damit zu tun, dass aus den USA über viele Monate keine weiteren Hilfslieferungen mehr kamen wegen der Blockade im Kongress», sagt Mijnssen. Die Ukraine befindet sich derzeit in einer defensiven Position, während die Russen schrittweise vorankommen.
Dass die russischen Truppen vorrücken können, liegt an der deutlichen Überlegenheit bei Personal und Material. Mijnssen weist auf die Umstellung der russischen Rüstungsindustrie auf Kriegswirtschaft hin, die derzeit über zwei Millionen Artilleriegranaten produziert.
Auch die russische Luftwaffe spiele eine entscheidende Rolle, insbesondere durch den Einsatz sogenannter Gleitbomben. Diese aus sowjetischen Beständen stammenden Bomben sind mit moderner Zielmechanik ausgestattet. Und sie verursachen erhebliche Zerstörungen in den ukrainischen Verteidigungsstellungen. «Die Ukrainer haben bisher kein probates Mittel gefunden, um sich dagegen zu wehren», so Mijnssen.
Grenzen der russischen Offensive
Trotzdem gelingt es Russland nicht, grössere Gebietsgewinne zu erzielen. «Die Russen und die Ukrainer haben teilweise ähnliche Probleme. Beide haben das Problem, dass sie grosse Verluste einfahren, die Russen natürlich deutlich mehr als die Ukrainer», erläutert Mijnssen. Beiden falle es schwer, diese Verluste zu ersetzen.
Russland könne zwar Soldaten ersetzen, allerdings nur durch schlechter ausgebildete. Dies führe dazu, dass die russischen Truppen vor allem in kleinen Gruppen operieren und grosse Operationen vermeiden.
Die Lage für die Ukraine bleibt brenzlig, denn sie kämpft gegen einen übermächtigen Feind. Aber Ivo Mijnssen betont: «Die Lage ist nicht brenzlig in dem Sinne, dass nächstens ein Kollaps der ukrainischen Front droht.»