Lasst uns weltweit eine Billion Bäume pflanzen. Diese Initiative haben die Organisatoren am Weltwirtschaftsforum in Davos lanciert und sind auf fruchtbaren Boden gestossen. Mit dieser Massnahme wollen Staaten und Organisationen die Klimakrise eindämmen. SRF News hat die Idee genauer unter die Lupe genommen und den Experten Andreas Rigling dazu befragt.
SRF News: Andreas Rigling, ist Bäume pflanzen die neue Wunderwaffe im Kampf gegen die Klimakrise?
Andreas Rigling: Bäume zu pflanzen ist eine Massnahme, aber sicher nicht die Einzige. Wenn wir Aufforstung ausführen wollen, ist es wichtig, gewisse Rahmenbedingungen zu beachten. Es muss sich um Neuwaldflächen handeln – also Flächen, die heute nicht Wald sind. Landwirtschaftsgebiete beispielsweise. Zudem braucht es Jahrzehnte, bis junge Wälder effizient CO2 binden. Ausserdem wissen wir, dass Wälder erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten ihr Maximum erreichen.
Zudem braucht es Jahrzehnte, bis junge Wälder effizient CO2 binden.
Somit müssen die neuen Waldflächen lange erhalten bleiben und dürfen nur nachhaltig bewirtschaftet werden. Das bedarf einer effizienten Kontrolle über Jahrzehnte, denn holzen wir diese Wälder wieder ab, gelangt der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre und wir hätten nicht viel gewonnen.
Es handelt sich um eine langfristige Angelegenheit und kommt zu spät?
Wir dürfen beim Thema Geschwindigkeit nicht zu viel erwarten. Wenn Sie sich einen kleinen Baum vorstellen, ist nicht viel Holz dran. Hingegen ist in einer hundertjährigen Buche massiv an Kohlenstoff gebunden. Aufzuforsten ist nicht sinnlos, es braucht aber Zeit.
Die ETH Zürich sorgte mit einer Studie für Aufsehen. Die Hochschule kam zum Schluss, dass Bäume pflanzen die effizienteste Massnahme sei gegen die Klimakrise. Kein anderes Mittel könne so viel CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Liegen die Studienverfasser falsch?
Die Schlussfolgerung ist nicht falsch, aber theoretisch. Sie zeigt das Potenzial einer zusätzlichen Kohlenstoffbindung durch Aufforstungen. Aber wir können nicht überall aufforsten, wo kein Wald ist. Entweder ist es natürlicherweise zu nass oder zu trocken für Wald oder die Landfläche dient anderen Zwecken für Siedlungen oder für die Landwirtschaft. Aus Sicht der Biodiversität oder des Landschaftsbildes ist es nicht unbedingt sinnvoll, überall aufzuforsten.
Also müssen wir dafür Sorge tragen, dass die alten Bäume so lange wie möglich leben. Erst in zweiter Priorität sollen wir Bäume pflanzen.
Exakt. Wir sprechen jetzt von grossangelegter Aufforstung und gleichzeitig wissen wir, dass der Regenwald und die Nadelwälder grossflächig gerodet werden. Das macht wenig Sinn. Es wäre viel sinnvoller, wenn wir die alten Systeme, also die alten Regenwälder, welche grosse Kohlenstoffpools sind, nicht abzuholzen und dadurch den Kohlenstoff in der Vegetation und im Boden zu halten.
Wenn wir Brasilien davon abhalten wollen, Regenwälder abzuholzen, muss der Westen und die Industrienationen auch unterstützen.
Stellen Aufforstungen der kleinste gemeinsame Nenner in der Politik dar?
Es ist einfacher zu realisieren. Wenn wir Brasilien abhalten wollen, Regenwälder abzuholzen, muss der Westen unterstützen. Das kostet Geld. Auf der anderen Seite kann man gleichzeitig kleine Initiativen lancieren. Jedes Land kann für sich solche Aufforstungsprogramme starten. Das braucht keinen politischen gemeinsamen Nennen und ist einfacher durchzusetzen.
Das Gespräch führte Simon Hulliger