Kampf um «russisches Amazon» - Von Geld, Macht und Blutrache rund um das Unternehmen Wildberries
Der tschetschenische Machthaber Kadyrow droht drei russischen Politikern mit Blutrache – sie sollen einen Mord auf ihn geplant haben. In die ganze Fehde ist auch das «russische Amazon», die Firma Wildberries und die reichste Frau Russlands verwickelt.
Darum geht es
: Der tschetschenische Machthaber und Putin-Verbündete Ramsan Kadyrow hat einem Medienbericht zufolge russischen Abgeordneten vorgeworfen, ein Mordkomplott gegen ihn zu schmieden und will sich an diesen rächen.
In Wahrheit dreht sich das Ganze aber um einen Geschäftskonflikt, wie
Russland-Korrespondent David Nauer
weiss: «Es gibt zwei Clans und die streiten sich um den bekannten russischen Onlinehändler Wildberries. Der tschetschenische Machthaber Kadyrow ist mit einem dieser Clans verbündet.»
Das ist Ramsan Kadyrow
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Der 48-jährige Kadyrow ist seit 2007 in der im Süden Russlands im Kaukasus gelegenen Teilrepublik Tschetschenien an der Macht. Russlands Präsident Wladimir Putin machte sich für den Sohn des früheren tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow stark. Dieser war 2004 ermordet worden.
Menschenrechtler werfen Ramsan Kadyrow vor, für schwerwiegenden Missbrauch, Willkür und Übergriffe verantwortlich zu sein. Einheiten von Kadyrow kämpfen in der Ukraine mit. Sie spielten etwa bei der Einnahme der südukrainischen Hafenstadt Mariupol eine wichtige Rolle.
Kadyrow ist mit Medni Kadyrowa verheiratet, hat laut dem Guardian zwölf Kinder sowie – entgegen dem russischen Recht – mit Fatimá Chasujewa eine Nebenfrau.
Darüber wird gestritten:
Das Unternehmen Wildberries, die russische Antwort auf Amazon, ist in Russland riesig. Kürzlich fusionierte es mit einem kleineren russischen Unternehmen. 65 Prozent des fusionierten Unternehmens hält Tatiana Kim, die Gründerin von Wildberries. Der Noch-Ehemann der Milliardärin, Bakaltschuk, bleibt dabei aussen vor. Das Ehepaar hat sich zerstritten, Tatiana Kim hat die Scheidung eingereicht.
Was ist Wildberries?
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«Wildberries ist wichtig», weiss Nauer. Das Unternehmen sei riesig und eine Art russische Antwort auf Amazon. Bei Wildberries könne man wirklich alles bestellen, also iPhones, Velos, Kleider, Kartoffeln, einfach wirklich alles, was man sich vorstellen könne. «Ich erinnere mich, als ich in Moskau gelebt habe, gab es zu Beginn der Pandemie keine Masken mehr zu kaufen im ganzen Land, ausser bei Wildberries.»
Das Unternehmen macht jedes Jahr Milliardenumsätze und auch grosse Gewinne. Und die Gründerin von Wildberries, Tatjana Kim, ist inzwischen mehrfache Milliardärin.
Das hat Kadyrow mit dem Geschäftskonflikt zu tun:
Kims Noch-Ehemann Bakaltschuk ist mit den Geschäften und der Fusion nicht einverstanden, erklärt Nauer. Er habe sich an Kadyrow gewendet und um dessen Hilfe gebeten. «Das Ganze ging sogar so weit, dass dieser Noch-Ehemann zusammen mit bewaffneten Kämpfern Kadyrows eine Schiesserei am Hauptsitz von Wildberries provoziert hat, wo zwei Menschen ums Leben gekommen sind. Wir haben es hier mit einem traurigen Ehestreit zu tun, aber auch mit einem bizarr blutigen Geschäftsstreit.»
David Nauer
Ukraine- und Russland-Korrespondent
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David Nauer
ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.
Das sind die Verbindungen des Kremls zur Firma Wildberries:
Russische Exilmedien berichten, dass auch der Kreml in die ganze Sache involviert ist. «Und zwar auf eine obskure Weise», so Russland-Korrespondent Nauer. «Die Fusion von Wildberries mit diesem anderen Unternehmen soll Präsident Putin persönlich abgesegnet haben.» Das kleinere Unternehmen, mit welchem nun Wildberries fusioniert, werde mutmasslich von den Leuten kontrolliert, denen Kadyrow jetzt mit Blutrache drohe. Aber diese Leute hätten auch gute Kontakte zu Putin. «Und deswegen gibt es den Verdacht, dass der Kreml einfach versucht, Wildberries quasi indirekt unter seine Kontrolle zu bringen.»
Das bedeutet die Fehde für die Beziehungen von Putin und Kadyrow
: Kadyrow und Putin seien voneinander abhängig, betont Nauer. Putin schicke Kadyrow Geld – dafür sorge Kadyrow im sonst unruhigen Tschetschenien mit brutalen Mitteln für Ruhe. «Aber, das heisst nicht, dass nicht jeder sein eigenes Spiel spielt. Genau das sehen wir jetzt im Konflikt um Wildberries.» Die Machtverhältnisse in Russland würden sich dadurch nicht verändern. Aber es zeige: «Putin ist nicht allmächtig. Er ist auf Kadyrow angewiesen – und muss sich von diesem einiges gefallen lassen.» Man könne sogar sagen, dass sich in Russland kaum jemand so offen gegen den Kreml stellen könne wie Kadyrow.
Was zeigt uns so eine Geschichte?
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«Das zeigt, dass der Rechtsstaat in Russland nicht mehr funktioniert», ist David Nauers Fazit. Es gebe Russinnen und Russen, die sagen, sie fühlen sich an die chaotischen 1990er-Jahre erinnert, als damals Mafiosi und Oligarchen mit Schiessereien, Korruption und so weiter ihre Geschäftsinteressen ganz wild durchgesetzt hätten.
«Damals hatte der russische Staat, und er hat es eben auch heute wieder, sein Gewaltmonopol verloren», so der Korrespondent. Gleichzeitig zeige die Geschichte aber auch, dass der Kreml unter Wladimir Putin seinen Einfluss auf die Wirtschaft immer mehr ausbaue. Es sehe so aus, dass Wildberries, dieses sehr erfolgreiche private Unternehmen, nun an kremltreue Geschäftsleute mindestens indirekt übertragen werden soll.
«Wir haben es also mit einer Situation zu tun, dass der russische Staat einerseits immer stärker wird, immer kräftiger in die Wirtschaft eingreift, aber andererseits auch immer schwächer wird und zum Teil die Kontrolle verliert darüber, wie Geschäftskonflikte ausgetragen werden.»
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