«Ja, im Krieg wird gestorben, und das war ihre Berufswahl»: Als erster russischer Funktionär überhaupt nannte Tschetscheniens Präsident am Dienstag eine konkrete Zahl an Opfern in der Ukraine. Zwei seiner Männer seien bei Gefechten gegen ukrainische «Nationalisten» getötet, sechs weitere verletzt worden, teilte Ramsan Kadyrow mit.
Bereits am letzten Samstag hatte der Kreml-treue tschetschenische Machthaber in einem Video bestätigt, seine Kämpfer in die Ukraine geschickt zu haben. Das erklärte Ziel: der Sturz der Regierung in Kiew. «Präsident Putin hat die richtige Entscheidung getroffen und wir werden seine Befehle unter allen Umständen umsetzen.»
Kadyrow wolle mit dem Einsatz der Truppen seine Loyalität gegenüber dem Kreml unter Beweis stellen, sagt Margarete Klein von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. «Er spricht davon, dass er bis zu 74'000 Kämpfer rekrutieren könnte», so die Expertin für russische Sicherheitspolitik. Laut dem Kreml-nahen russischen Newssender RT warteten letzten Freitag 12'000 Soldaten auf ihre Verlegung in die Ukraine.
Die ‹Kadyrowzy› sind wegen ihres brutalen Vorgehens gefürchtet. Sie sollen den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte und auch der Bevölkerung brechen.
Inzwischen sind Bilder tschetschenischer Kämpfer in der Ukraine in den sozialen Medien aufgetaucht. Sie sollen etwa bei der versuchten Erstürmung des Flugplatzes Hostomel bei Kiew beteiligt gewesen sein. Dabei soll nach ukrainischen Angaben General Magomed Tushayew umgekommen sein. Der berüchtigte Warlord gilt als rechte Hand von Kadyrow.
Kadyrow trägt den zweifelhaften Übernamen «Putins Bluthund». In der autonomen Republik im Süden Russlands regiert er mit eiserner Faust. Er selbst inszeniert sich als kraftstrotzender Kriegsfürst, wahlweise flankiert von Kalaschnikows oder Tigern.
Tschetschenische Kämpfer kamen schon 2014 im Krieg im Donbass sowie in Libyen und Syrien zum Einsatz. Formal sind sie der russischen Nationalgarde untergeordnet. «De facto sind sie aber nur dem tschetschenischen Präsidenten gegenüber loyal», erklärt Klein.
Eine Erbe des Vaters
Die «Kadyrowzy» gehen zurück auf die Miliz des Vaters von Ramsan, Achmat Kadyrow. Dieser kämpfte im ersten Tschetschenien-Krieg der 90er-Jahre noch gegen Russland und wechselte dann die Seiten. Anschliessend wurde er vom Kreml mit der Kontrolle über Tschetschenien beauftragt. Seither wurden die «Kadyrowzy» sukzessive zu den Sicherheitskräften der autonomen Republik ausgebaut.
Bei ihren Auslandseinsätzen seien die Kämpfer dazu da, gezielte, oftmals gefährliche und blutige Operationen durchzuführen, so die deutsche Sicherheitsexpertin. «Es wird auch berichtet, dass sie führende ukrainische Politiker verhaften und eventuell töten sollen.»
Russische Einschüchterungstaktik
Schliesslich seien sie auch ein Element der psychologischen Kriegsführung. «Sie sind wegen ihres brutalen Vorgehens gefürchtet. Sie sollen den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte und auch der Bevölkerung brechen.»
Die Männer entstammen, wie Klein ausführt, einer bitterarmen Region mit jahrzehntelanger Kriegserfahrung. «Das unwahrscheinlich brutale, repressive System bietet den ‹Kadyrowzy› eine gute Einkunftsmöglichkeit. Sie haben einen sehr starken Korpsgeist, sind persönlich auf den Präsidenten eingeschworen und haben eine lange Geschichte der Gewalterfahrung.»
Allein schon ihre Präsenz in der Ukraine soll laut der Sicherheitsexpertin dafür sorgen, dass die Kampfmoral der ukrainischen Truppen geschwächt wird. «Ein mögliches Szenario wäre, dass sie auch dazu eingesetzt werden, die Zivilbevölkerung brutal niederzuschlagen.»