Manchmal hilft ein Gang über den Parkplatz, um die Machtverhältnisse zu verstehen. Heute Morgen um elf vor dem Bendlerblock, dem Verteidigungsministerium in Berlin: Neben den gepanzerten Chevrolet-SUVs der USA sehen die ebenfalls gepanzerten Oberklasse-Audis der Deutschen geradezu klein aus. Grösse also ist relativ – der Vergleich ist entscheidend.
Drinnen, im Konferenzsaal, ein ähnliches Bild: Verteidigungsminister Boris Pistorius ist ein stattlicher Mann – sein US-Pendant Lloyd Austin ist mit 1.89 aber um einen Kopf grösser.
Keine US-Kampfpanzer
Äusserlichkeiten, natürlich. Aber Bundeskanzler Scholz erfährt in diesen Tagen, wie gross die Macht der USA ist – und wie er nun unter grösstem Druck steht, seine Politik-Prinzipien über den Haufen zu werfen. «Kein Alleingang» in der Panzer-Frage, das war sein Credo.
Nun aber wollen die Vereinigten Staaten keine Kampfpanzer vom Typ Abrams liefern. Zu kompliziert zu bedienen, zu gross der Aufwand für Nachschubketten, zu klein also der unmittelbare Nutzen. Zudem sind im Abrams geheime Teile verbaut, die will man nicht einfach so preisgeben.
Immense Erwartungen
Denn logischerweise würde Russland den ersten erbeuteten Abrams bis auf die letzte Schraube zerlegen – genau so, wie es Mercedes-Benz mit dem ersten Tesla gemacht haben soll. Den mussten sie zwar nicht erbeuten – sondern nur bei Sixt mieten. Aber das Prinzip ist dasselbe.
Also sagt Biden jetzt Nein.
Gleichzeitig erwartet die halbe Welt von Scholz, deutsche Leopard-Panzer in die Ukraine zu liefern – und anderen Staaten, welche «Leos» besitzen, die Ausfuhr in Richtung Kiew zu erlauben. Polen hat schon angekündigt, notfalls auch ohne Okay aus Berlin zu liefern. Das lässt Scholz als Staatsmann nochmal kleiner wirken.
USA legen vor
Zeit also für Kompromisse? Was bieten die Parteien morgen in Ramstein an, dort, wo sich die Ukraine-Unterstützungsstaaten aus Nato und EU zur entscheidenden Konferenz treffen? Die USA legen schon mal ein für Scholz gesichtswahrendes Angebot vor: Zwei Milliarden Dollar Hilfe plus leichtere Schützenpanzer, um den Einsatz der Leoparden zu unterstützen.
Neben dem «Nein» zu Alleingängen muss sich Scholz noch an einem anderen Anspruch messen lassen. Als «Internationale Führungsmacht» solle Deutschland auftreten, verkündete SPD-Parteichef Lars Klingbeil vor wenigen Monaten. Derzeit macht es aber eher den Eindruck, als würde Deutschland geführt, getrieben sogar.
Scholz lenkt wohl ein
Scholz wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als zu handeln und die Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken. US-Präsident Biden kommt ihm diesmal nicht zu Hilfe. Frankreichs Präsident Macron hat auch kein Interesse, dem Kanzler beizuspringen. Finnland und Spanien auch nicht.
Und in Osteuropa droht man, wie gesagt, sich über einen Entscheid des Kanzlers hinwegzusetzen und Leopard-Panzer aus eigenen Beständen zu liefern, ob Scholz will oder nicht.
Der Kanzler schrumpft
Mit jedem dieser Entscheide, mit jeder Drohung schrumpft der Kanzler ein bisschen. Dabei hat Deutschland in den letzten Monaten sehr viel für die Ukraine getan. Doch kaum sind neue Flugabwehr-Systeme oder Schützenpanzer versprochen, kommt das Nächste. So ist es jetzt mit den Kampfpanzern. Und so wird es sein mit den Kampfjets, die schon jetzt auf der Wunschliste von Präsident Selenski stehen.
Morgen in Ramstein aber zuerst die Kampfpanzer. Es wird eine unruhige Nacht für Olaf Scholz, vielleicht sogar die härteste seines ganzen Politiker-Lebens.