Nowitschok in Tschechien: Der tschechische Präsident Milos Zeman hat am Donnerstag in einem Fernsehinterview öffentlich gemacht, dass in Tschechien Experimente mit einem Stoff, der zur gleichen Klasse gehört wie das Nervengift Nowitschok, durchgeführt worden sind. Das errege die öffentliche Aufmerksamkeit, sagt Paul-Anton Krüger, Nahost-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung». Mit Nowitschok wurde im März 2018 in Salisbury, Grossbritannien, ein Giftanschlag auf den russisch-britischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter verübt. Beide überlebten. Die Herkunft des Giftes ist bis anhin noch nicht schlüssig geklärt.
Nowitschok und die Folgen: Die Vergiftungs-Affäre löste eine schwere diplomatische Krise zwischen den westlichen Staaten und Russland aus. Aufgrund der Resultate der Forscher in Grossbritannien kam die britische Regierung zum Schluss, dass der Anschlag von Russland verübt worden sein müsse. Rund 25 Staaten sowie das Verteidigungsbündnis Nato wiesen als Reaktion auf den Anschlag 150 russische Diplomaten aus. Moskau verwies im Gegenzug genauso viele westliche Diplomaten des Landes. Russland habe laut Krüger unter anderem Tschechien neben Schweden und anderen Staaten als möglichen Herkunftsort des Giftes genannt.
Wieso ein Labor solche Stoffe hat: Labors, die sich mit der Abwehr von Chemiewaffen befassen, stellten regelmässig kleine Mengen solcher Kampfstoffe her, sagt Krüger. «Dafür gibt es Melde- und Kontrollpflichten, um sicherzustellen, dass diese Kampfstoffe nicht in irgendeiner Form missbraucht werden können», hält er fest. Mittlerweile seien die Labors soweit, dass sie wüssten, wie man damit umgehe und welche Gegenmittel man verwende.
Entlastet Zemans Aussage Russland? «Ich würde das nicht unbedingt als Entlastung sehen», sagt Krüger. Das britische Labor habe die Substanz, mit der Skripal vergiftet wurde, eindeutig als einen Stoff der Nowitschok-Klasse identifiziert. «Zeman hat im Interview angedeutet, dass es sich um einen anderen Stoff aus der gleichen Gruppe handelt», sagt Krüger. Zeman sei bekanntermassen Russland-freundlich und seine Aussage diene nur dazu, wieder Zweifel an Russlands Täterschaft zu streuen.
Indizien zur Herkunft des Gifts: Das Dossier, mit dem die Briten ihre Vorwürfe gegenüber Russland rechtfertigen, beruht auf der Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW). Krüger erklärt: «Dieser Stoff stammt ursprünglich aus der Sowjetunion. Aber es gibt eben noch eine Reihe anderer Indizien, die darauf hinweisen, dass Russland für den Anschlag auf Skripal verantwortlich ist.» Hauptsächlich das Motiv belaste Russland: Skripal war ein ehemaliger russischer Militär-Geheimdienstler. Er habe als Doppelagent auch für Grossbritannien gearbeitet. Der russische Präsident Wladimir Putin und andere russische Offizielle hätten Doppelagenten mit Vergeltung gedroht. «Und es gibt offenbar andere Spuren aus den geheimdienstlichen und polizeilichen Ermittlungen, die nicht öffentlich sind, die die Briten dazu brachten, Russland als Schuldigen zu sehen.»
Genaue Zuordnung des Gifts: Über die technische Analyse alleine könne die Quelle des Kampfstoffs wahrscheinlich nicht hundertprozentig erschlossen werden, sagt Krüger. Gemäss seiner Einschätzung kann nur in der Gesamtschau von Indizien ein Täter festgemacht werden.