Russland erhebt im Fall des vergifteten Ex-Spions Sergej Skripal Manipulationsvorwürfe gegen die Chemiewaffenexperten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW). Diese hätten nicht alle Ergebnisse der Analyse im Labor Spiez publiziert, sagte Aussenminister Sergej Lawrow am Wochenende.
Im Untersuchungsbericht der OPCW seien Erkenntnisse zu einem vom Westen entwickelten Kampfstoff verschwiegen worden. Das Labor Spiez habe in den Proben vom Tatort Spuren des Nervengifts BZ nachgewiesen.
Im Bericht der OPCW sei diese Information aber nicht aufgetaucht, sagte Lawrow. Auch die Symptome des Ex-Spions und seiner Tochter Julia deuteten darauf hin, dass der Kampfstoff BZ bei dem Angriff verwendet worden sei.
Eine solche Substanz sei weder in der Sowjetunion noch Russland entwickelt worden. Das Nervengift sei aber von den USA, Grossbritannien und anderen Nato-Staaten genutzt worden.
Labor Spiez reagiert auf Twitter
Damit bringt Lawrow das Labor Spiez in eine unangenehme Lage, denn die Diskussion um den Giftanschlag ist politisch aufgeladen. Auf seiner Webseite schreibt das Labor, sein Fachbereich Chemie habe «keine Zweifel daran, dass die Briten den eingesetzten Kampfstoff richtig identifizierten und es sich um den Nervenkampfstoff Nowitschok handelt».
Auf Twitter ergänzt es, nur die OPCW könne die Behauptungen Lawrows kommentieren. Und: Deren Standards seien so rigid, dass man den Forschungsergebnissen trauen könne.
Laut Lawrow, der sich auf «vertrauliche Informationen» berief, hatten die Experten des auf die Analyse von C-Kampfstoffen spezialisierte Labor in Spiez ihre Untersuchungsergebnisse an die OPCW übermittelt. Es stelle sich die Frage, wieso ihre Erkenntnisse nicht in den Bericht der Organisation eingeflossen seien.
Lawrow zieht bisherige Erkenntnisse in Zweifel
Nach Angaben Lawrows wiesen die Schweizer Experten in den Proben der Skripals auch Spuren eines Gifts aus der Nowitschok-Gruppe nach. Es seien beträchtliche Mengen des Kampfstoffs A-234 festgestellt worden.
Diese Angaben zweifelte der russische Aussenminister wiederum an. Nach seiner Aussage wäre ein Angriff mit einer grösseren Dosis des Gifts tödlich verlaufen.
Die OPCW hatte letzten Donnerstag in einem Kurzbericht erklärt, bei einer Untersuchung von Blutproben von Skripal und seiner Tochter seien die Erkenntnisse Grossbritanniens «in Bezug auf die Identität der toxischen Chemikalie» bestätigt worden. Das verwendete Gift wird in dem Bericht allerdings nicht benannt.
London macht Moskau verantwortlich
Die britischen Behörden gehen davon aus, dass bei dem Anschlag im englischen Salisbury ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe aus sowjetischer Produktion zum Einsatz kam. London macht daher Moskau für den Giftanschlag vom 4. März verantwortlich.
Nach britischen Angaben vom Freitag waren Skripal und seine Tochter Julia bereits seit 2013 im Visier des russischen Geheimdienstes. Damals seien E-Mail-Konten von Julia Skripal das Ziel von Cyberexperten des Militärgeheimdienstes GRU gewesen.
Die russische Regierung weist eine Verwicklung in den Anschlag zurück und will die Schlussfolgerungen der OPCW nicht anerkennen, solange nicht auch russischen Experten Zugang zu den im Bericht erwähnten Proben gewährt wird.
Der Fall führte zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Russland und Grossbritannien sowie zahlreichen weiteren westlichen Staaten.