- In ihrer voraussichtlich letzten Rede als Kanzlerin im deutschen Bundestag hat Angela Merkel für den CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geworben.
- Gleichzeitig warnte sie eindringlich vor einem Bündnis von SPD und Grünen mit der Partei Die Linke.
- Merkel, die Deutschland seit November 2005 regiert, wird bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder antreten.
«Es ist nicht egal, wer dieses Land regiert», betonte die CDU-Politikerin. Es sei eine besondere Wahl, «weil es in schwierigsten Zeiten eine Richtungsentscheidung für unser Land ist». Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Wahl zwischen zwei Optionen: einer Regierung von SPD und Grünen, «die die Unterstützung der Linkspartei in Kauf nimmt, zumindest sie nicht ausschliesst», oder einer von CDU und CSU geführten Regierung mit Laschet an der Spitze.
Das ist genau das, was Deutschland braucht.»
«Der beste Weg für unser Land ist eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung mit Armin Laschet als Bundeskanzler», sagte Merkel. Eine solche Regierung werde für Stabilität, Verlässlichkeit, Mass und Mitte sorgen. «Das ist genau das, was Deutschland braucht.»
Ihre Äusserungen hatte zahlreiche Zwischenrufen im Plenarsaal zur Folge. Die Kanzlerin verteidigte die ungewöhnlich klaren Wahlkampfäusserungen: «Meine Güte, was für eine Aufregung, ich bin seit 30 Jahren, über 30 Jahren Mitglied dieses Deutschen Bundestages, und ich weiss nicht, wo wenn nicht hier, solche Fragen diskutiert werden müssen, das ist die Herzkammer der Demokratie, und hier wird genau das diskutiert.»
Olaf Scholz im Zentrum der Kritik
Während die Linke und die AfD die voraussichtlich letzte Sitzung vor der Wahl für eine neuerliche Generalabrechnung mit der Kanzlerin sorgten, attackierten die Redner der anderen Parteien vornehmlich den SPD-Kanzlerkandidaten, Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz. Seine Partei hat aktuell in Wählerumfragen die Nase vorne. Scholz richtete den Blick vor allem auf die Zeit nach der Wahl. Er versprach Fortschritte beim bezahlbaren Wohnen und ein stabiles Rentenniveau. «Ein Aufbruch ist möglich», sagte er. «Eine weitere von der CSU/CSU geführte Bundesregierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten», warnte Scholz. Steuersenkungsversprechen der Union seien unfinanzierbar und «völlig aus der Zeit gefallen».
In entscheidenden Bereichen wie dem Klimaschutz oder der Digitalisierung habe sich in der Ära Merkel viel zu wenig im Land bewegt, sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Auch den Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD warf Baerbock bei der Klimaschutzpolitik Untätigkeit vor. Die bevorstehende Wahl sei eine «Richtungswahl», die Klimapolitik solle für die kommende Bundesregierung anders als jetzt im Mittelpunkt stehen. Die derzeitige Bundesregierung habe es «vermasselt», den Weg der Klimaneutralität einzuschlagen, sagte Baerbock.
Laschet fordert von Scholz Farbbekennung
Laschet sagte, die Sozialdemokraten würden in der Regierungsverantwortung «wieder Schulden machen, und dann werden sie wieder die Steuern erhöhen, wie wir es von ihnen kennen». Er dankte Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel dafür, dass sie in den Koalitionen mit der SPD «gut auf die Sozialdemokraten aufgepasst» habe. Scholz forderte er auf, «klipp und klar» zu sagen, ob er mit einer Partei wie der Linken koalieren würde, die Nato und den Verfassungsschutz auflösen wolle.
AfD-Weidel bezeichnet Deutschland als «Hippie-Staat»
Die Fraktionschefin der rechtspopulistischen AfD, Alice Weidel, sagte, Deutschland sei heute ein Land, das verunsichert und gespalten und dessen Wohlstand erodiert sei. Im Bildungswesen und bei der Digitalisierung sei Deutschland nur Mittelmass. Ein weiteres ungelöstes Problem der scheidenden Regierung sei «die Migrationskrise». Kein anderes Land denke ferner ernsthaft daran, die deutsche Energiewende zu kopieren. Deutschland sei der einzige «Hippie-Staat, der diese durchgeknallten Ideen ernsthaft umsetzen will, koste es was es wolle».
Auch die Linksfraktion malte ein düsteres Bild. Ihr Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, Merkel hinterlasse nach 16 Jahren Kanzlerschaft «ein Land im Krisenzustand». Das Land sei sozial, kulturell und politisch tief gespalten.