24 Stunden sind in der Politik eine lange Zeit. Noch gestern verkündete Liz Truss, an ihrem Steuersenkungsprogramm werde gar nichts geändert. Man sei auf Kurs. Der Erfolg werde sich wie von selber einstellen. Davon sei sie überzeugt. Das will nicht viel heissen. Truss war während ihrer Karriere bereits von ganz anderen Dingen überzeugt. Zum Beispiel davon, dass die Monarchie abgeschafft werden muss oder man den Brexit ablehnen sollte.
In dem Sinn kommt die jüngste Entwicklung nicht ganz überraschend. Was Truss am Sonntag noch überzeugt als kurzfristige Störung bezeichnete, entwickelte sich in den vergangenen 24 Stunden zu einem ausgewachsenen Debakel. Die Stimmung am Parteitag der Konservativen in Birmingham drohte zu kippen. Es roch immer mehr nach Aufstand.
Saalschlacht am Parteitag abgewendet
Prominente Konservative wandten sich öffentlich vom Steuersenkungspaket der Regierung ab. Es wurde absehbar, dass diese Vorlage im Parlament keine Mehrheit erhalten wird. Und heute Morgen tat Schatzkanzler Kwasi Kwarteng dann das, was seine Chefin gestern noch vehement verneinte; nämlich die Notbremse ziehen.
Der fortschreitende Kollaps der Wirtschaft konnte damit verhindert werden. Das britische Pfund rappelte sich bereits im Verlauf des Morgens wieder auf und der Parteitag wird wohl ohne Saalschlacht enden. Doch die Schadensbilanz ist gross. Die Premierministerin ist bereits knapp vier Wochen nach Amtsantritt angeschlagen, verwundet und geschwächt. Die Umfragewerte der Partei im freien Fall.
Nicht ein kommunikatives Missverständnis hat die neue Premierministerin und ihre Partei in diese Bredouille gebracht, sondern mangelnde Empathie. Wer nicht in einer elitären Fantasiewelt lebt, weiss, dass man nicht mitten in einer Wirtschaftskrise Schulden anhäufen kann, um die Steuern von Millionären zu senken.
Kaum im Amt, schon schwer angeschlagen
Knapp einen Monat nach Amtsantritt hat Liz Truss mit diesem kolossalen Fauxpas einen grossen Teil ihres politischen Kapitals bereits verspielt. Die Stimmung am Parteitag mag sie stabilisiert haben, aber nicht ihre politische Zukunft. Das Pfund hat sich wieder erholt, aber nicht die Umfragewerte der konservativen Partei.
Diese sind auf dem tiefsten Punkt seit 40 Jahren angelangt. Das ist gefährlich. Denn wenn ihre Sitze zu wackeln beginnen, gehören konservative Parlamentarier eher zur Spezies der Wirbellosen und sind ziemlich unzimperlich, wenn es darum geht, eine untaugliche Premierministerin zu entsorgen.