Die schwedische Hauptstadt Stockholm ist diesen Sommer kaum wiederzuerkennen. Von den Millionen Touristinnen und Touristen, die in den vergangenen Jahren jeweils das «Venedig des Nordens» besuchten, sind nur ganz wenige zu sehen. Keines der ursprünglich geplanten über 300 Kreuzfahrtschiffe wird in diesem Jahr anlegen.
Nur wenige Touristen
Trotz dieses Einbruches bei den Besucherzahlen und allen anderen schwerwiegenden Konsequenzen der Pandemie ist die gegenwärtige Stimmungslage überraschend zuversichtlich. Dazu tragen die Berichte der Gesundheitsbehörden bei.
Es gebe nur noch ganz wenige neue ernsthafte Krankheitsfälle, kann Anders Tegnell, der oberste Pandemiebekämpfer des Landes, vermelden. Hinzu kommen die jüngsten Quartalsberichte der grossen schwedischen Unternehmen wie Ericsson, Volvo und der Grossbanken: Sie alle ziehen nach dem Einbruch im Frühjahr eine bessere Bilanz als erwartet.
Das spiegelt sich in der starken Wertsteigerung der Landeswährung wider: Die schwedische Krone hat seit Mitte März gegenüber dem US-Dollar um 16 Prozent zugelegt, gegenüber dem Euro beträgt die Wertsteigerung acht Prozent.
Unternehmen sehen Silberstreifen
Und auch bei den kleineren und mittleren Unternehmen zeichnet sich laut dem Verband der schwedischen KMU nach einem ersten Schock im Frühjahr eine Erholung ab. Sie konnten sich den auf eine längere Zeit ausgelegten Corona-Massnahmen der Behörden offensichtlich anpassen.
Was steckt hinter dieser schnellen Erholung der Wirtschaftszahlen? Laut einer Umfrage des schwedischen Konjunkturinstitutes bei Unternehmerinnen und Unternehmern werden nun die Vorteile des lange vor allem international sehr umstrittenen schwedischen Corona-Kurses deutlich.
In erster Linie habe das Offenhalten der Kindergärten und Schulen durch die ganze Krise hindurch eine positive psychologische Wirkung erzeugt, heisst es in dem Bericht. Dank dieser und anderer im Vergleich zum Ausland weniger radikaler Massnahmen habe sich die Wirtschaft nicht so stark verlangsamt wie befürchtet. Das zeigt sich auch an den überraschend guten Autoverkäufen oder im Anstieg der Häuserpreise.
Nur kleiner BIP-Rückgang erwartet
Laut einer Prognose des Londoner Analyse-Instituts «Capital Economics» muss Schweden in diesem Jahr mit einem Rückgang des Volkseinkommens von 1.5 Prozent rechnen, während für die nordischen Nachbarländer Norwegen und Dänemark – die beide einen Lockdown hatten – gut drei Prozent vorausgesagt werden.
Dabei ist es für eine Schlussbilanz der Folgen der Coronakrise natürlich noch viel zu früh. Die Pandemie hält weltweit in unverminderter Stärke an. Das bekommt Schweden als stark exportorientierte Wirtschaft zu spüren.
Trotzdem: Arbeitslosigkeit könnte steigen
Vor allem Arbeitsplätze in der Maschinen- und Rohstoffbranche sind akut gefährdet. Es wird damit gerechnet, dass bis zu zehn Prozent der Schwedinnen und Schweden Ende des Jahres ohne Job sein könnten – eine Verdoppelung gegenüber Anfang Jahr.
Von einer wirklich positiven Entwicklung ist deshalb auch Schweden noch weit entfernt. Vielleicht trifft das Urteil der «Capital Economics»-Prognostiker den Nagel am treffendsten auf den Kopf: Schweden sei «der Beste unter den Schlechten in Europa», heisst es in ihrem Bericht.