ION ist der erste Regierungsberater der Welt, der kein Mensch, sondern eine Software mit künstlicher Intelligenz ist. Sie soll dafür sorgen, dass sich die rumänische Regierung künftig stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was verspricht sich Rumäniens Regierung vom Berater mit der künstlichen Intelligenz? ION soll mit künstlicher Intelligenz allen Rumäninnen und Rumänen zuhören, ihre Gedanken und Bedürfnisse spiegeln und in die Regierung tragen. Der Name ist Programm: Rückwärts gelesen heisst ION «noi», «wir» auf Rumänisch. «Wir hoffen, dass wir die Politik dank ION besser an die tatsächlichen Wünsche der Bürgerinnen und Bürger anpassen. ION kann Vertrauen schaffen, dass die Regierung wirklich zuhört», sagt Digitalminister Sebastian Burduja, der das Experiment verantwortet.
Wie weiss ION, was die Rumäninnen und Rumänen wollen? Wie jede künstliche Intelligenz muss auch ION trainiert werden. Dafür ist er darauf angewiesen, dass die Bevölkerung mit ihm kommuniziert. Sie kann das über soziale Medien, seine Homepage oder per Sprachnachricht. Anders als zum Beispiel ChatGPT gibt ION keine Antworten. Er fragt nach, um mehr über ein Thema zu erfahren.
Wie sieht das konkret aus? Sagt eine Bürgerin zum Beispiel, das Bildungssystem in Rumänien sei schlecht, antwortet ION: «Das sagen 300'000 Rumäninnen und Rumänen, die mit mir gesprochen haben. Was muss man deiner Meinung nach tun?» Sagt die Bürgerin, die Schulen seien zu schlecht ausgestattet, fragt Ion nach: «Was fehlt denn konkret?» Und so weiter.
Und wie kommen die Erkenntnisse von ION zu den Regierenden? Die Resultate der Chats fliessen ein in Berichte an die Regierung. Der erste wird Ende Mai veröffentlicht und bietet laut Digitalminister Burduja vor allem eine überraschende Erkenntnis: «Wir hören viele Umweltbedenken. Bislang war der Konsens unter Politikern, dass das in Rumänien nur wenige interessiert.»
Wo sind die Gefahren? Mit falschen oder einseitigen Nachrichten könnte man versuchen, ION zu manipulieren. Dagegen hat man Filter in die Software eingebaut. Einseitigkeit droht auch, weil in Rumänien längst nicht alle Zugang zum Internet haben. «Um auch diesen Leuten eine Möglichkeit zu geben, mit ION zu interagieren, haben wir ION in einen Spiegel eingebaut. Mit dem touren wir jetzt durch das ländliche Rumänien. So sollen auch wenig internetaffine Leute die Möglichkeit haben, ihre Gedanken zu äussern», sagt Burduja.
Wie sind die ersten Reaktionen auf den Regierungsberater mit künstlicher Intelligenz? Rund 1.6 Millionen Rumäninnen und Rumänen hätten bereits mit ION kommuniziert, heisst es beim Digitalministerium. In der Regierung sei ION zunächst auf Skepsis gestossen, sagt der Digitalminister. «Doch nun können auch andere Minister ION etwas abgewinnen.» Burduja glaubt, ION könne zu besserer Politik führen. Er sagt aber auch: «Noch ist ION ein Experiment.»