«Ich schiesse auf die Russen», sagt Jaroslaw (6) auf dem Balkon seiner Wohnung – und richtet ein Spielzeuggewehr in Richtung Front. «Pfiju, pfiju, pfiju», imitiert er das Geräusch von Schüssen. Das Handyvideo mit dem Gewehr hat Jaroslaws Mutter Kateryna Hashenko aufgenommen.
Wir sind mit den beiden unterwegs auf den Spielplatz. Jaroslaw und Kateryna wohnen in der Kleinstadt Druschkiwka. Knapp 20 Kilometer sind es von hier bis an die Front. Viele Menschen sind schon geflohen, vor allem die Familien.
«Vor dem Krieg war hier alles voll mit Kindern – da war richtig viel los», sagt Kateryna Hashenko, während ihr Bub alleine auf dem Spielplatz herumrennt.
Warum aber ist sie mit ihrem Sohn bisher geblieben? Die Antwort der jungen Mutter: «Wenn alle wegfahren von hier, welche die Ukraine lieben, wofür kämpfen dann unsere Soldaten noch? Im Moment ist es ohnehin noch zum Aushalten.»
Jaroslaw weiss, dass Krieg ist
Doch ausblenden lässt sich die brutale Realität nicht. Von der Wohnung der beiden ist der Beschuss von Nachbarstädten zu hören und zu sehen. Auch in Druschkiwka landet immer wieder eine Rakete. Wie erklärt man einem Kind den Krieg? Hashenko sagt: «Viele Eltern sagen den Kindern nicht, was los ist. Bei Explosionen sagen sie: da ist gerade ein Dinosaurier umgefallen. Ich habe Jaroslaw gleich zu Beginn des Krieges gesagt: Es gibt gute Menschen und es gibt schlechte. Wir wurden angriffen, und unsere Männer in Uniform verteidigen uns.»
Jaroslaw weiss, dass Krieg ist. Er hat ja selbst schon auf die Russen «geschossen» mit seinem Spielzeuggewehr. Viel lieber aber geht er auf den Spielplatz und, sagt er: «Dort fliege ich manchmal mit der Schaukel zum Mond.» Viel gibt es für ein Kind nicht mehr zu tun in Druschkiwka. Die Schule findet nur noch online statt, sämtliche Kinderkurse: singen, malen, tanzen und so weiter, sind längst abgesagt.
Im Spielzeuggeschäft ist es dunkel
Immerhin hat ein Spielzeuggeschäft noch offen. Kundschaft freilich gibt es so wenig, dass in manchen Sälen nicht mal mehr Licht brennt – der Laden spart Strom. Die Verkäuferin sagt, an manchen Tagen würden nur drei oder vier Leute überhaupt vorbeischauen. «Und wenn, kaufen sie nur das Nötigste: Windeln, Kleider – oder ein Plüschtier für die Seele.»
Jaroslaw darf heute ein Auto auswählen. Ein Moment der Normalität, mitten im Krieg. Kateryna Hashenko sagt: Wenn die Nachbarstadt Tschasiw Jar an die Russen fällt, dann wird auch sie mit Jaroslaw Druschkiwka verlassen. Einen Grossteil ihres Hausrats hat sie bereits vorsorglich aus der Stadt gebracht.