16 Bundesstaaten haben Klage gegen die Regierung in Washington eingereicht. Sie wehren sich damit gegen das Notstandsdekret, mit dem Präsident Donald Trump den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko durchsetzen will. Christian Lammert, Experte für US-Politik, erwartet, dass sich das juristische Hickhack bis ins Wahljahr hinziehen wird – zu Trumps Vorteil.
SRF News: 16 Bundesstaaten wollen mit ihrer Klage erreichen, dass der Notstand ausgesetzt wird. Kann dieses Vorhaben Erfolg haben?
Christian Lammert: Es wird in den ersten Instanzen auf alle Fälle Erfolg haben. Wir wissen schon von früheren Entscheidungen, dass insbesondere das Gericht in Kalifornien immer gegen Trumps Regierung entschieden hat. Dabei ging es um Regulierungen im Umweltbereich oder auch in der Einwanderungspolitik. Trump selber kündigte an, als er am Freitag seinen Notstand erklärte, dass er die ersten Instanzen verlieren wird.
Das kann sich mehr als ein Jahr hinziehen und wird dann mitten im Wahlkampf ein heisses Thema.
Und so wird die Klage wahrscheinlich letztlich beim Supreme Court, dem obersten Verfassungsgericht, landen. Dort muss entschieden werden, ob Trump gegen die Verfassung verstösst. Das kann sich mehr als ein Jahr hinziehen und wird dann mitten im Wahlkampf wieder ein heisses Thema.
Wenn die Klage an den Supreme Court gelangt, ist das gut für Trump?
Es kann ein Vorteil für ihn sein, dass momentan fünf Richter eher konservativ ausgerichtet sind. Aber dafür gibt es keine Garantie, weil der Supreme Court immer auch noch nach einer eigenen Logik entscheidet, nicht nur parteipolitisch. Und hier geht es um eine Frage der Gewaltenteilung.
Das Argument, welches die Demokraten und die Staaten, die jetzt geklagt haben, vorbringen, ist, dass Trump Kompetenzen für sich beansprucht, die ihm laut Verfassung nicht zustehen. In solchen Fragen hat das Oberste Verfassungsgericht immer für die Verfassung entschieden und die Gewaltenteilung als ganz grosses Gut angesehen. Es gibt also keine Garantie für Trump, dass der Supreme Court in seinem Sinn entscheiden wird.
Könnte der Schuss auch nach hinten losgehen für die Kläger?
Ja, das ist ein riskantes politisches Manöver. Denn mit Blick auf die Wahlen 2020 macht das Trump im Grunde ganz geschickt. Denn wenn er gewinnt, hat er seine Mauer. Aber selbst wenn er verliert, kann er sagen: Ich habe alles versucht, um mein Wahlversprechen durchzusetzen. Ich habe sogar den Notstand ausgerufen, aber die Demokraten kontrollieren die Gerichte und die Medien sind gegen mich. Das kommt bei seiner Basis, wenn man sich die Umfragen anschaut, sehr gut an. Er könnte als Gewinner aus der Sache hervorgehen, egal, ob er vor Gericht gewinnt oder verliert.
Sie begrüssen es trotzdem, dass eine Klage eingereicht wurde?
Ja, das ist eine absolut notwendige Klage, weil Trump hier einen Notstand deklariert hat, der keiner ist. Er hat sogar den Fehler gemacht, zu sagen, er hätte das jetzt nicht machen müssen, aber er wolle das schnell durchziehen. Das ist eine sehr schlichte Art, zu rechtfertigen, dass ein Notstand vorliegt.
Alle Experten sagen, dass dieser Notstand an der Grenze, so wie Trump ihn skizziert, nicht existiert.
Alle Experten sagen, dass dieser Notstand an der Grenze, so wie Trump ihn skizziert, nicht existiert, und dass er Machtmittel beansprucht, die ihm nicht zustehen. Auch seine eigenen Ministerien sagen, dass die Anzahl illegaler Einwanderer deutlich zurückgegangen ist. Je nachdem, wie der Supreme Court entscheidet, wird das einen Einfluss darauf haben, was Präsidenten machen können und was nicht. Das könnte die Machtbalance eindeutig hin zur Exekutive verschieben – und das ist etwas, das man demokratietheoretisch sehr skeptisch sehen muss.
Das Gespräch führte Claudia Weber.