Das Emirat Katar soll offiziell ein wichtiger Nicht-Nato-Verbündeter der USA werden. Das kündigte US-Präsident Joe Biden nach einem Treffen mit dem Emir von Katar im Weissen Haus an. Katar sei nicht nur bezüglich seiner Energiepolitik ein wichtiger Partner des Westens, beschreibt Tobias Borck vom Royal United Services Institute in London die aussergewöhnliche, schon beinahe weltpolitische Rolle des Emirats am Golf.
SRF News: Was bedeutet es für Katar, wenn das Emirat offiziell als wichtiger Nicht-Nato-Verbündeter der USA eingestuft wird?
Tobias Borck: Für Katar ist das ein sehr wichtiger, auch symbolischer Schritt. Das kleine Emirat wird von Washington als einer der wichtigsten Partner der USA ausserhalb der Nato anerkannt. Konkret kann Katar damit unter anderem auch einfacher Rüstungsgeschäfte oder andere Wirtschaftsdeals mit US-Firmen abschliessen.
Thema bei den Gesprächen mit Joe Biden war unter anderem auch die Energiepolitik: Katar ist nach den USA zweitgrösster Erdgasproduzent der Welt. Die Energiepolitik ist auch im Ukraine-Konflikt wichtig, weil Europa stark abhängig von russischen Erdgaslieferungen ist. Kommt der Ukraine-Konflikt Katar also gelegen?
Sicher will auch Katar keinen Krieg in Europa. Doch Katar ist grundsätzlich immer gut darin, bei Krisen irgendwo auf der Welt bereitzustehen. Katar stellt sich als kleiner, agiler, flexibler Partner dar, der nützlich sein kann, wenn es nötig wird.
Katar könnte als Grossproduzent von Erdgas allenfalls an der Stelle Russlands in die Bresche springen.
Das war so im vergangenen August, als Katar zur Drehscheibe der US-Evakuierungen von Menschen aus Afghanistan wurde – oder jetzt, da Katar als Grossproduzent von Erdgas an der Stelle Russlands allenfalls in die Bresche springen könnte. Katar könnte die Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas womöglich etwas verkleinern, und würde eines der grössten russischen Druckmittel gegenüber Europa etwas vermindern.
Katar will aber auch im Nahen Osten ein Vermittler sein?
Vermittler zu sein, ist Katars Selbstverständnis. So sieht sich das Emirat selber und so möchte es auch gesehen werden. Katar möchte vielen mächtigen Ländern auf der Welt ein wichtiger Partner sein. Das geschieht nicht bloss uneigennützig: Katar erhofft sich im Gegenzug die Unterstützung dieser Länder im Fall von Problemen.
Katar nimmt die Vermittlerrolle ein und verspricht sich davon mehr Sicherheit. Geht diese Strategie auf?
Bislang geht sie tatsächlich auf. Man erinnere sich an 2017: Damals verfügten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und einige andere Länder der Region eine Blockade über Katar. [Anm. d. Redaktion: Die Länder warfen Katar die Unterstützung der Muslimbrüder und anderer islamistischer Terrororganisationen wie des IS vor. Auch in manchem westlichen Land, etwa in Deutschland, wurden solche Vorwürfe gegenüber Katar laut.]
Die Strategie der vielen mächtigen Freunde funktionierte.
Für Katar war das ein prekärer Moment – alle seine grossen und mächtigen Nachbarländer hatten sich gegen das kleine Emirat vereint. Doch Katar hatte viele Freunde auf der ganzen Welt, die sich dem Boykott nicht anschlossen und sich für eine Beendigung der Blockade einsetzten. Die Strategie der vielen mächtigen Freunde funktionierte: Anfang 2021 wurde die Blockade aufgehoben. Diese Strategie versucht Katar weiterhin zu pflegen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.