Es wird schon fast zur Routine, dass die EU-Kommission einmal jährlich aus dem Vollen schöpft und in unzähligen Dokumenten ehrgeizige Massnahmen präsentiert, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Im vergangenen Jahr war es das «Fit for 55»-Paket, heute geht es um die ergänzende REPowerEU-Strategie.
Der Krieg in der Ukraine hat die Arbeit an diesem Massnahmenpaket beschleunigt. Mit den Importen russischer Energieträger wie Kohle, Öl oder Gas überweist die EU täglich Millionen nach Russland und finanziert so den Krieg gegen die Ukraine mit. All die beschlossenen Wirtschaftssanktionen bringen folglich wenig, solange die Energieabhängigkeit von Russland besteht.
Neue Lieferanten, neue Herausforderungen
Energie-Unabhängigkeit von Russland ist daher auch seit Wochen die treibende Kraft in Brüssel. So ist ein Schwerpunkt der heute vorgestellten Strategie die Diversifizierung von Energieimporten. Man möchte also in Europa nicht mehr so stark von einem Lieferanten abhängig sein, sondern Erdöl oder Gas von unterschiedlichen Staaten einkaufen. Die USA werden beispielsweise mehr Flüssiggas nach Europa exportieren. Dass die Produktionsweise für LNG, das sogenannte Fracking, sowie der Schiffstransport die europäische Energiebilanz deutlich ins Schwanken bringen wird, scheint man zu akzeptieren.
Spätestens seit den intensiven Diskussionen zu einem Importstopp von russischem Öl weiss man zudem, dass es für neue Lieferanten auch eine neue Infrastruktur braucht. Russisches Rohöl kann beispielsweise nicht einfach so ersetzt werden. Gerade Ungarn oder die Slowakei müssen viele Milliarden Euro in eine neue Infrastruktur investieren, um anderes Rohöl verarbeiten zu können. Ungarns Ministerpräsident Orban wird sich solche Investitionen teuer mit Geldern aus Brüssel bezahlen lassen. Gelder, die Ursula von der Leyen eigentlich zurückbehalten wollte, bis Ungarn wieder demokratischer wird. Pragmatismus erhält hier Vorrang vor Ideologie, denn ohne die Mitgliedstaaten können die Pläne aus Brüssel nicht umgesetzt werden.
Die Energiewende gemeinsam anpacken
Zu den Plänen der Europäischen Kommission gehören auch weitere Investitionen in Solar- und Windenergie sowie in die Produktion von grünem Wasserstoff, um generell unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden. Es ist unbestritten, dass diese Massnahmen nötig sind, um die Klimaziele zu erreichen. Fraglich ist allerdings, ob die Pläne der Kommission, dass die Mitgliedstaaten die Genehmigungsverfahren beispielsweise für Windparks verkürzen oder dass der Bau von Solaranlagen verpflichtend wird, so schnell wie geplant umgesetzt werden können, wenn überhaupt. Diese Pläne klingen auf dem Papier gut, die praktische Umsetzung wird schwierig werden.
Keine politischen oder bürokratischen Probleme bei der Umsetzung wird es beim Appell an die Bürgerinnen und Bürger geben, Energie im Alltag einzusparen. Dafür muss die EU-Kommission für einmal keine Milliarden verteilen, sondern kann nur darauf hoffen, dass jede und jeder einen Teil dazu beiträgt, die Energiewende gemeinsam zu schaffen.