Bulgarien hat ein seltenes Problem: zu viel Geld. Bald kommen Milliarden aus der Europäischen Union, die das Corona-Unglück aufwiegen sollen. Und dann noch fast 100 Millionen Franken aus der sogenannten Schweizer Kohäsionsmilliarde.
Es ist eine grosse Chance für Bulgarien, aber auch eine riesige Herausforderung, rechtzeitig fertig zu sein.
Zu viel in zu kurzer Zeit, sagt Ivan Ivanov, verantwortlich fürs Schweizer Geld, das Bulgarien erreichen soll. «Es ist eine grosse Chance für Bulgarien, aber auch eine riesige Herausforderung, rechtzeitig fertig zu sein, damit wir das Geld strategisch klug einsetzen und unsere Vorhaben so glatt wie möglich umsetzen können.»
Die Schweiz will in Bulgarien und in den anderen Ländern im Osten der Europäischen Union 1.3 Milliarden Franken ausgeben. Bulgarien soll mit dem Geld zum Beispiel seine Berufslehren verbessern und Flüchtlingen die Ankunft erleichtern. Das Geld ist der Schweizer Beitrag zum Aufblühen des Ostens, ein Stein im Mosaik mit den Beziehungen zur EU.
Aber das Geld kommt spät: Jahrelang war es blockiert, weil sich die Schweiz und die EU über verschiedene Dinge gestritten haben. Am Donnerstag aber, so wünscht es der Bundesrat, soll das Parlament die Milliarde freigeben. Und den Zeitplan, der dazugehört: Bis 2024 müssen dann alle Kredite gesprochen sein.
Mehr Zeit wäre besser für die Qualität der Vorhaben.
Das allerdings hält der bulgarische Verantwortliche Ivan Ivanov für eine schlechte Idee: «Es wäre besser, wir bekämen zwei Jahre mehr Zeit, um alles vorzubereiten. Mehr Zeit wäre besser für die Qualität der Vorhaben.» Erst letzte Woche hat Bulgarien die Schweiz offiziell um Verlängerung gebeten.
Einiges spricht für mehr Zeit: Die Schweiz hat schon einmal eine Milliarde ausgegeben in Osteuropa, die sogenannte erste Kohäsionsmilliarde. Damals konnte sie einige Vorhaben in Bulgarien nicht verwirklichen, zum Beispiel, weil in kleineren bulgarischen Städten kaum jemand zu finden ist, der ein Budget, eine Ausschreibung aufsetzen kann. Vieles in Bulgarien war mühsamer und dauerte länger als gedacht.
Ein Land im Schwebezustand
Und gerade jetzt dürfte es besonders schwierig sein, Schweizer Geld klug auszugeben in Bulgarien. Das Land muss auch noch das viele Geld aus der EU investieren. Und es hat im Moment keine gewählte Regierung. Die letzten Wahlen gaben niemandem die Macht zu regieren – dieser Schwebezustand kann noch dauern und ebenfalls alles verzögern.
Gibt das Schweizer Parlament Bulgarien nicht bis 2026 Zeit, sagt Ivan Ivanov, müsse sich das Land halt anders helfen. «Dann sollten wir früher anfangen, die Vorhaben in die Tat umzusetzen, sogar noch bevor wir fertig verhandelt haben und alle Verträge unter Dach und Fach sind.»
Also das Flüchtlingsheim planen, bevor der Vertrag mit der Schweiz über die Finanzierung unterschrieben ist – wohl ebenfalls nicht die beste Idee, wenn die Schweiz sicher sein will, dass ihr Geld sinnvoll ausgegeben wird.
Bleibt die Frage, warum der Bundesrat an seinem engen Zeitplan für die Milliarde festhält, obwohl die Länder des Ostens – Bulgarien ist nicht das einzige – Mühe damit haben. Eine Antwort dürfte sein: Weil mehr Zeit bedeuten würde, dass es ein neues Gesetz braucht. Und ein neues Gesetz könnte abgelehnt werden in einer Volksabstimmung.