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Konflikt in Bergkarabach Aserbaidschan greift Bergkarabach an – 7000 Bewohner evakuiert

  • Im Südkaukasus hat Aserbaidschan eine neue Militäroperation zur Eroberung von Bergkarabach gestartet.
  • Das Verteidigungsministerium in Baku sprach zur Begründung von einer «Antiterror-Operation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung» in der Region.
  • Armenien hat den UNO-Sicherheitsrat und Russland zur Hilfe aufgefordert, Frankreich strebt eine Dringlichkeitssitzung an.

Bislang seien mindestens 27 Menschen getötet und mehr als 200 Personen verletzt worden. Das schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach, Gegam Stepanjan, auf X (vormals Twitter). Unter den Todesopfern befinden sich laut Stepanjan zwei Zivilpersonen. Zudem seien aus 16 Orten insgesamt rund 7000 Bewohnerinnen und Bewohner in Sicherheit gebracht worden.

In der Mitteilung am Dienstag gab Baku an, nur auf militärische Ziele zu schiessen. Der Militäreinsatz diene dazu, den nach dem letzten Bergkarabach-Krieg 2020 im Waffenstillstand festgeschriebenen Rückzug armenischer Truppen aus dem Gebiet durchzusetzen, hiess es weiter.

Armenien ruft UNO-Sicherheitsrat und Russland zu Hilfe

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Die Ex-Sowjetrepublik Armenien im Südkaukasus hat den UNO-Sicherheitsrat und Russland zu Massnahmen zur Beendigung des von Aserbaidschan begonnenen Militäreinsatzes in der Konfliktregion Bergkarabach aufgefordert. Es seien «klare und eindeutige Schritte zur Beendigung der aserbaidschanischen Aggression» nötig, heisst es in einer von armenischen Medien verbreiteten Mitteilung des Aussenministeriums in Eriwan. Regierungschef Nikol Paschinjan hat wegen der Eskalation derweil eine Dringlichkeitssitzung des nationalen Sicherheitsrats einberufen.

Russlands Aussenministerium hat die Konfliktparteien dazu aufgerufen, die blutigen Auseinandersetzungen zu beenden und zum Waffenstillstand zurückzukehren.

Frankreich strebt im UNO-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung an. Das teilte das französische Aussenministerium in Paris mit. Frankreich spreche sich eng mit seinen europäischen und amerikanischen Partnern ab, um eine starke Antwort auf die inakzeptable Offensive zu geben, hiess es.

Anwohner der Gebietshauptstadt Stepanakert verbreiteten Aufnahmen, die den Beschuss von Wohnhäusern zeigen. In den Vierteln gebe es keine militärischen Objekte, klagen sie. Der frühere Regierungschef von Bergkarabach, Ruben Wardanjan, berichtete von massivem Artilleriefeuer auf das gesamte Gebiet. «Die Führung von Armenien muss Arzach anerkennen und sich dem Schutz unserer Bürger anschliessen», forderte er.

Zugleich wies die aktuelle Führung der Konfliktregion um die Hauptstadt Stepanakert die Anschuldigungen aus Baku zurück. Die Verteidigungskräfte hielten sich an den Waffenstillstand, teilte das Verteidigungsministerium von Arzach mit. Der Vorwurf, die Feuerpause gebrochen und zwei aserbaidschanische Soldaten verletzt zu haben, sei «erlogen und entspricht nicht den Tatsachen», hiess es.

Erdogan steht hinter Aserbaidschans Militäreinsatz

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stellt sich hinter den neuen Militäreinsatz Aserbaidschans. Die Türkei unterstütze die Schritte zum «Schutz der regionalen Integrität Aserbaidschans», sagte Erdoganbei bei der Generaldebatte der UNO-Vollversammlung in New York. Später fügte er hinzu, er hoffe auf ein schnelles Ende der «Entwicklungen in der Region».

Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt, Russland ist traditionelle Schutzmacht Armeniens.

Seit langem verfeindet

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimische Aserbaidschan sind seit langem verfeindet. Grösster Streitpunkt zwischen Eriwan und Baku ist die Enklave Bergkarabach, die auf aserbaidschanischem Gebiet liegt, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird.

«Eine Katastrophe für die Karabach-Armenierinnen und -Armenier»

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Drei Jahre nach dem letzten Krieg um Bergkarabach setzt Aserbaidschan erneut auf militärische Gewalt. Es hat das umstrittene Gebiet mit Artillerie und Drohnen angegriffen und die Kommunikationsmittel gekappt.

Dazu SRF-Auslandredaktorin Judith Huber: «Aserbaidschan will also mit Gewalt auch noch den Teil von Bergkarabach unter Kontrolle bringen, den es im letzten Krieg vor drei Jahren nicht erobern konnte. Aus Baku heisst es, das seien ‹anti-terroristische Aktivitäten›, mit denen man die verfassungsmässige Ordnung wieder herstellen wolle. Tatsächlich gehört Bergkarabach völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Die dortige Bevölkerung wehrt sich aber dagegen, in den aserbaidschanischen Staat integriert zu werden, weil sie Vertreibung und Massaker befürchtet. Nachdem Baku am Verhandlungstisch die eigenen Ziele nicht erreicht hat, will es nun auf diese Art Fakten schaffen, im Bewusstsein, dass es militärisch weit überlegen ist. Für die Karabach-Armenierinnen und -Armenier ist diese Entwicklung eine Katastrophe.»

Armenien hat nun den UNO-Sicherheitsrat und Russland zu Massnahmen aufgerufen. Es seien «klare und eindeutige Schritte zur Beendigung der aserbaidschanischen Aggression» nötig, heisst es.

Armenisches Militär derzeit nicht in Kampfhandlungen involviert

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan sagte, Aserbaidschan strebe die Vertreibung der Armenier aus Bergkarabach an. «Aserbaidschan hat faktisch eine Bodenoperation zur ethnischen Säuberung Bergkarabachs von Armeniern begonnen», sagte er. Für Eriwan sei es wichtig, die Rechte und die Sicherheit der dortigen Bevölkerung zu gewährleisten.

Trotzdem sei das armenische Militär derzeit nicht direkt in Kampfhandlungen involviert, teilte er mit. «Armenien hat keine Armee in Bergkarabach, und wir werden derzeit auch keine undurchdachten Handlungen vornehmen», sagte er.

Teheran will vermitteln

Iran bot Vermittlung im Konflikt an. Der iranische Aussenamtssprecher Nasser Kanaani forderte die Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens von 2020 zwischen Aserbaidschan und Armenien.

Erst vor wenigen Tagen hatte Irans Verteidigungsminister Mohammed-Resa Aschtiani vor einem Krieg in der Region gewarnt. Die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Iran sind traditionell schwierig.

SRF 4 News, 19.09.2023, 13:00 Uhr ; 

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