Noch ist nicht restlos klar, wie sich das UNRWA-Verbot in der Praxis auswirken wird. Verboten wird nicht die Organisation an sich, sondern deren Tätigkeit in Israel. Laut einem UNO-Sprecher wird das Hilfswerk die Arbeit vorerst fortsetzen. Sam Rose, der für den Gazastreifen zuständige UNRWA-Direktor, sagte gegenüber der «New York Times», man habe im Moment noch viele Lebensmittelvorräte in Gaza selber gelagert. Denkbar auch, dass Umgehungsmechanismen gefunden werden – dass beispielsweise Hilfsgüter der UNRWA, die bereits in Israel sind, umverpackt und umgeladen werden, also nicht mehr das UNRWA-Label tragen. Und so weiterhin von Israel aus an die Notleidenden in Gaza geliefert werden.
Trotzdem bleiben viele Unsicherheiten. So ist es israelischen Behörden jetzt offiziell verboten, mit der UNRWA zu kommunizieren. Das bedeutet: Hilfslieferungen können nicht mehr zwischen Armee und UNRWA koordiniert werden. In aktiven Kampfzonen, auch im Westjordanland, sind die Helfer damit vermehrt dem Risiko israelischer Angriffe ausgesetzt. Ausserdem verlieren internationale UNRWA-Angestellte ihre Aufenthaltsgenehmigungen in Israel.
Das Problem geht aber weit über die humanitäre Hilfe für Gaza hinaus. Ein Blick auf die Statistik zeigt, wie umfassend die Tätigkeit der UNRWA in den palästinensischen Gebieten bisher war: Sie betrieb im Gazastreifen, dem Westjordanland und Ostjerusalem 279 Schulen für 330'000 Schüler und Schülerinnen sowie 65 Gesundheitszentren für insgesamt 2.5 Millionen palästinensische Flüchtlinge und bot Arbeitsplätze für Tausende.
UNWRA mit quasi-staatlichen Aufgaben
Die tiefe Verwobenheit der UNRWA mit der palästinensischen Bevölkerung ist Israel schon länger ein Dorn im Auge. Tatsächlich übernimmt die Organisation quasi-staatliche Aufgaben – in Abwesenheit eines funktionsfähigen Staates. Zudem befinden sich in ihren Reihen mitunter Sympathisanten militanter Gruppen, auch der Hamas. Das verletzt das Neutralitätsgebot der UNO-Organisation.
Nach dem 7. Oktober 2023 bezichtigte Israel einige UNRWA-Angestellte, an den Massakern beteiligt gewesen zu sein, worauf die UNRWA neun Personen nach einer internen Untersuchung entliess. Israel behauptet jedoch, dass die UNRWA von der militant-islamistischen Hamas regelrecht unterwandert sei, ohne dafür Beweise vorzulegen. Eine unabhängige Untersuchung hat die UNRWA in wesentlichen Punkten entlastet.
Problembewirtschaftung statt Problemlösung?
Das Verhältnis Israels zur UNRWA war schon zuvor schwierig. Israel wirft der UNRWA vor, nichts zur Lösung des Konflikts beizutragen, sondern im Gegenteil das palästinensische Flüchtlingsproblem aufrechtzuerhalten und aktiv zu bewirtschaften.
Das Mandat der 1949 gegründeten Organisation besagt: Die UNRWA werde Dienstleistungen für palästinensische Flüchtlinge erbringen, «bis eine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Notlage gefunden» werde. Sprich: Bis es eine politische Lösung des Nahost-Konflikts gibt, und damit auch für die Flüchtlinge.
Hier liegt der Kern des Problems: Das UNRWA-Verbot wird die Notlage der palästinensischen Bevölkerung verschlimmern, sofern keine Umgehungsmechanismen toleriert werden. Mit der Zeit könnten zwar andere UNO-Hilfswerke oder Nichtregierungsorganisationen einige Aufgaben der UNRWA übernehmen. Doch das Verbot der UNRWA schafft das Flüchtlingsproblem nicht aus der Welt. Dafür müsste Israel mit den Palästinensern einen dauerhaften, gerechten Frieden aushandeln.