Das Ereignis: Das israelische Parlament hat einen Gesetzentwurf gebilligt, der dem Palästinenserhilfswerk UNRWA die Tätigkeit auf israelischem Staatsgebiet untersagt. Damit kann die Organisation auch ihre Einsätze in den Palästinensergebieten kaum fortsetzen, weil Israel die Grenzübergänge kontrolliert. Daneben stimmte die Knesset einem zweiten Gesetzesentwurf zu, der israelischen Behörden jeglichen Kontakt mit der UNRWA untersagt.
Das Motiv: Israel wirft der UNRWA Verwicklungen ins Massaker vom 7. Oktober vor. Die Organisation sei als Ganzes von der Hamas unterwandert. «UNRWA ist gleich Hamas», sagte der Abgeordnete Boaz Bismuth von der rechtskonservativen Regierungspartei Likud nach der Abstimmung. Tatsächlich hat die UNO anfangs August neun UNRWA-Mitarbeiter entlassen. Eine Untersuchung habe ergeben, dass die Angestellten in die Massaker involviert gewesen sein könnten. Zwar hätten die Vorwürfe Israels nicht mit letzter Sicherheit bestätigt werden können, trotzdem rechtfertige die Beweislage das Vorgehen, sagte damals ein UNO-Sprecher.
Folgen für die Menschen: Für die Flüchtlinge von 1948 und ihre Nachkommen, die zwei Drittel aller Palästinenserinnen und Palästinenser im Gazastreifen ausmachen, hat die Organisation Kliniken und Schulen aufgebaut. Sie kümmert sich um die Wasserversorgung. Und seit dem Krieg organisiert sie eine Polio-Impfung und sammelt Leichen ein. Auch im Westjordanland haben bislang 900'000 Palästinenser Hilfe von der UNRWA bekommen. All das fiele weg, würde der Organisation die Arbeit in Israel verboten.
Keine Hilfsorganisation kann das leisten, was die UNRWA in 70 Jahren aufgebaut hat.
Folgen für die Organisation: Laut Inga Rogg, Nahostkorrespondentin des «Handelsblatts», könnte das Kontaktverbot mit der UNRWA «das Ende für die UNRWA bedeuten». Wenn die israelischen Behörden, die Armee keinen Kontakt mit der Organisation mehr haben dürften, könnten keine Visa mehr ausgestellt werden. Die massive Hilfe, die die UNRWA organisiert, könnte gar nicht mehr nach Israel gebracht werden.
Alternativen: In 90 Tagen, wenn die Gesetzesänderung in Kraft tritt, soll nach israelischer Vorstellung ein Ersatz für UNRWA gefunden worden sein. Bis dann will die Regierung die Hilfe organisieren. In Ostjerusalem sollen das Ministerium und die Stadtverwaltung die nötigen Dienstleistungen erbringen. Rogg zweifelt die Erfolgschancen dieses Vorhabens an: Man sehe heute schon im annektierten Ostjerusalem, wo sich die Stadtverwaltung etwa um den Strassenbau, die Müll- und Wasserversorgung kümmere, dass Ostjerusalem deutlich schlechter versorgt sei als Westjerusalem.
Reaktionen im Land: Schon vor der Abstimmung war es im Parlament zu wütenden Debatten gekommen. Ein arabischer Abgeordneter sprach von einem «faschistischen Gesetz». Die Initiatoren reagierten mit Geschrei, eine Abgeordnete wurde aus dem Saal gebracht. Im Westjordanland kritisierte die palästinensische Autonomiebehörde die Entscheidung der Knesset scharf. Das Gesetz verletze das Völkerrecht, so ein Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.
Reaktionen weltweit: Laut UNO-Generalsekretär Guterres würden mit den Plänen der israelischen Regierung die Anstrengungen, das menschliche Leid im Gazastreifen – und auch im Westjordanland und in Ostjerusalem – zu lindern, «erstickt». Das Hilfswerk «von seiner lebensrettenden (...) Arbeit für Millionen von Palästinensern auszuschliessen, wird verheerende Folgen haben», warnte auch der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Schweiz brachte ihre Sorge auf X zum Ausdruck.