Zehn Stunden lang dauerten die Verhandlungen in Moskau. Erst dann haben sich Armenien und Aserbaidschan auf eine Waffenruhe für die umkämpfte Region Berg-Karabach geeinigt. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken kämpfen seit Jahrzehnten um Berg-Karabach, das mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Die selbsternannte Republik wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans.
Ende September ist der Konflikt eskaliert. Bei heftigen Kämpfen sind 300 Menschen getötet und Tausende vertrieben worden. Laut SRF-Korrespondent David Nauer ist der jetzige Waffenstillstand brüchig und eher als Feuerpause gedacht – zumindest für eine Seite.
SRF News: Hält die zwischen Armenien und Aserbaidschan vereinbarte Waffenruhe?
David Nauer: Nein, diese Waffenruhe hält offenbar fürs Erste nicht. Der aserbaidschanische Aussenminister sagte heute Nachmittag, die Armenier würden weiterhin aserbaidschanische Stellungen und zivile Einrichtungen angreifen. Doch auch Aserbaidschan ist der Meinung, dass sich der Gegner nicht an die Waffenruhe halte. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Gleichzeitig hört man aber auch heraus, dass grundsätzlich beide einen Waffenstillstand wollen.
Wieso haben die Konfliktparteien gerade jetzt eine Waffenruhe ausgehandelt?
Ich denke, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Die Armenier wollen eigentlich keinen Krieg. Sie wollen, dass alles bleibt, wie es ist, denn sie kontrollieren ja das umkämpfte Land. Dazu kommt, dass Armenien langfristig militärisch eher unterlegen ist. Ganz anders die Aserbaidschaner: Sie hofften wohl, durch einen Angriff schnell grössere Teile Berg-Karabachs zu erobern, mussten aber einsehen, dass das nicht so einfach ist. Sie haben Verluste erlitten und sind wohl deswegen mit einem Waffenstillstand einverstanden.
Wenn Armenien Berg-Karabach nicht freiwillig abgibt, dann will Aserbaidschan weiterkämpfen.
Allerdings ist dieser Waffenstillstand aus Sicht von Aserbaidschan wohl eher als Feuerpause gedacht und nicht als Ende des Krieges. Denn der Aussenminister von Aserbaidschan hat klargemacht: Wenn Armenien Berg-Karabach nicht freiwillig abgibt, dann will man weiterkämpfen.
Die Verhandlungen fanden in Moskau statt. Welche Rolle spielt Russland als Vermittler?
Russland spielt eindeutig eine positive Rolle. Die Russen haben sich in den vergangenen Wochen in diesem Konflikt sehr zurückhaltend – fast schon neutral – verhalten. Moskau ist mit Armenien in einem Militärbündnis verbunden, wodurch Stimmen laut wurden, der Kreml würde die armenische Armee hängen lassen, während die Türken ihre aserbaidschanischen Verbündeten nach Kräften unterstützen würden.
Der Verhandlungserfolg von Freitagnacht zeigt, dass die Russen etwas erreichen können.
Doch die Russen scheinen für einmal Vermittler sein zu wollen und sie verstehen, dass sie nur eine Chance haben, wenn sie von beiden Seiten akzeptiert werden. Das ist wohl der Grund für diese eher untypische russische Neutralität. Der Verhandlungserfolg von Freitagnacht zeigt, dass die Russen etwas erreichen können: Dieser brüchige Waffenstillstand ist nicht viel, aber es ist immerhin etwas.