In Brasilien stehen derzeit viele Menschen unter Schock, wie Karen Naundorf, Südamerika-Korrespondentin von SRF, sagt. Zudem sei unklar, wie es weitergeht.
Hier sind gewaltbereite Fanatiker im Spiel
Naundorf fügt an: «Es ist ja nicht erst seit Montagabend klar: Hier sind gewaltbereite Fanatiker im Spiel.» Beispielsweise habe es auch schon mehrfach Morddrohungen gegen den neugewählten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gegeben. Kurz vor Weihnachten wurde ein Sprengstoffattentat verhindert.
Es sei aber auch festzuhalten, dass Lula die Wahl nur knapp gewonnen habe. Dementsprechend gebe es in Brasilien etliche Anhänger Bolsonaros, welche die Geschehnisse völlig anders wahrnehmen würden, so Naundorf. Aus deren Sicht habe Lula nur durch Wahlbetrug gewonnen.
Für die Anschuldigung des Wahlbetrugs gibt es allerdings keinerlei Beweise. Trotzdem: Aus Sicht von Teilen der Anhänger Bolsonaros seien die Eindringlinge am Sonntag keine Putschisten, sondern sogar Verteidiger der Demokratie Brasiliens, sagt die Korrespondentin.
Die Rolle von Bolsonaro beim Sturm auf das Regierungsviertel
Naundorf hält fest, dass Bolsonaro nicht direkt zum Sturm aufgerufen habe; aber es gebe keine Zweifel daran, dass er mit seinem Verhalten den Grundstein dazu gelegt habe: «Er hat Wut geschürt, Gewalt verherrlicht, seine Wahlniederlage nie wirklich anerkannt.» Ob dies strafrechtliche Relevanz hat, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Er hat Wut geschürt.
Derzeit würden die Nachforschungen der Justiz aber laufen. Beispielsweise ist Gegenstand der Ermittlungen, wer die mehr als 40 Busse bezahlt hat, mit denen am Sonntag die Bolsonaro-Anhänger in die Hauptstadt gebracht wurden. Zudem ist laut Naundorf unklar, weshalb die angeforderte Verstärkung der Senatspolizei ausgeblieben ist.
Der Sturm aufs Regierungsviertel zeige die Fragilität der Demokratie auf. Die Grundfesten der Demokratie in Brasilien seien in Gefahr. Für Präsident Lula gebe es aber auch eine gute Nachricht: Die breit gefächerte Koalition dürfte durch den Angriff zusammengeschweisst werden.
Kritik an Bolsonaros US-Aufenthalt
Bekanntlich befindet sich Bolsonaro seit dem Jahreswechsel in Florida. Dort würden sich jetzt vor allem Vertreter der Demokraten fragen, weshalb sich Bolsonaro dort befinde, sagt USA-Korrespondentin Viviane Manz ihrerseits.
Bolsonaro solle das Land verlassen, forderten einige Politiker aus dem demokratischen Lager. Man wolle verhindern, dass Brasiliens abgewählter Präsident Zuflucht vor einem allfälligen Verfahren finden könnte. Derzeit ist gemäss der US-Regierung allerdings kein Auslieferungsverfahren hängig.