Bei der Produktion und Versorgung mit sauberer Energie sind sich die beiden wichtigsten Anwärter auf das Ministerpräsidentenamt in Dänemark einig. Die amtierende sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen bezeichnet ihr Land «als grüne Supermacht und Vorbild für die ganze Welt». Dagegen hat ihr bürgerlicher Vorgänger und Herausforderer Lars Løkke Rasmussen nichts einzuwenden, ausser, dass nach seiner Ansicht der Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen vor den dänischen Küsten in der Nord- und Ostsee viel «zu langsam» erfolge.
Bereits heute spielt die Windenergie-Produktion in Dänemark eine grössere Rolle als in jedem anderen Land der Welt. Gut sechzig Prozent der Stromproduktion kommt aus im Land selbst entwickelten Windkraftwerken.
Laut Jens Weibezahn, Energieinfrastruktur-Experte an der Copenhagen Business School, hat diese Vorreiterrolle auch historische Gründe: «Als in den 1970er-Jahren viele Staaten als Folge der Ölkrisen auf die Atomkraft setzten, wandte sich Dänemark der erneuerbaren Windkraft zu.» Dabei waren es zunächst vor allem Forschende an verschiedenen Universitäten des Landes sowie Genossenschaften, die sich für die Entwicklung und Ausbau von Windrädern starkmachten.
Dänemark baut Strominseln
Daraus entstand ein Cluster von Firmen im Bereich Windkrafttechnologie, das heute auf dem Weltmarkt führend ist.
In der aktuellen angespannten Situation als Folge der Klimakrise und des russischen Krieges in der Ukraine sei Dänemark bestens für die weitere Entwicklung positioniert, betont Jens Weibezahn: «In den kommenden Jahren sollen in der Nordsee und der Ostsee bei der dänischen Insel Bornholm sogenannte Strominseln entstehen, von denen aus mehrere Länder gleichzeitig mit Energie versorgt werden können».
Dabei sind – so der Kopenhagener Experte – nicht einmal unbedingt neue Stromleitungen erforderlich: «Die heute bekannten Anlagen erhalten eine Kapazität von gegen 10 Gigawatt und können vor Ort den Strom in Wasserstoff umwandeln, der dann mit Schiffen exportiert werden kann.»
3.5-fache Leistung der Schweizer AKWs
In dieser Woche kündigten die beiden weltgrössten Akteure im Bereich der Windkraftproduktion, der halbstaatliche dänische Energiekonzern Ørstad und der private Investor Copenhagen Infrastructur Partners, an, die Windkraftproduktion vervierfachen zu wollen. Die angestrebte Leistung der nun beschlossenen neuen dänischen Windkraftanlagen entspricht somit etwa der 3.5-fachen Leistung der vier in der Schweiz in Betrieb stehenden Atomkraftwerke. Damit kann nicht nur der eigene Energiebedarf abgedeckt werden, das nordische Königreich mit gut 5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern kann so zu einem bedeutenden Energieversorger in Europa werden.
Unabhängig also davon, wer die vorgezogenen Parlamentswahlen am kommenden Dienstag gewinnt, ist Dänemark nun auf dem Weg, Norwegen als einen der wichtigsten Energieproduzenten in Europa abzulösen – und das nicht mit fossiler Energie wie der nördliche Nachbar, sondern mit sauberem Windstrom und Wasserstoff.