Fast zwei Monate ist der Giftanschlag im britischen Städtchen Salisbury her. Als direkte Folge hat die Regierung in London russische Diplomaten ausgewiesen. Darüber hinaus war oft die Rede von den Privilegien russischer Oligarchen in Grossbritannien, von Fluchtgeldern und britischer Laisser-faire-Politik.
Die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge hat sich als Vorsitzende des parlamentarischen Finanzausschusses den Ruf erworben, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die Manager von Amazon, Google und Starbucks beispielsweise wurden persönlich von ihr gegrillt. Jetzt widmet Hodge sich dem Kampf gegen Korruption.
Grossbritannien ist der Lieblingsort für Kleptokraten, Geldwäscher und Schurken geworden.
«Grossbritannien ist der Lieblingsort für Kleptokraten, Geldwäscher und Schurken geworden», sagt sie im Frontline Club in London, einer journalistischen Plattform. Dann wird sie konkret und nimmt zunächst Luxus-Immobilien ins Visier. «85’000 britische Liegenschaften sind im Besitz von Firmen, die in britischen Steueroasen registriert sind. 40 Prozent der Besitzer sind Russen», stellt sie fest. Der Verdacht auf Geldwäscherei ist nicht skurril.
Warum lässt der britische Staat das zu?
Hodge geisselt mangelnde Aufsicht: «Das Handelsregister im Companies House ist der Schauplatz, wo diese korrupten Gebilde gegründet werden. Dort könnte man sie an der Wurzel packen und viele dieser Aktivitäten eindämmen.» Doch dem Register fehlten die Ressourcen. Laut Hodge beaufsichtigen sechs Angestellte rund vier Millionen Firmen.
Bisher ist eine einzige Firma wegen falscher Angaben verklagt worden. Die Informationen dazu lieferte bizarrerweise ein wohlmeinender Whistleblower, der auf die Missstände hinweisen wollte. Er erhielt eine Busse von rund 30'000 Franken.
85’000 britische Liegenschaften sind im Besitz von Firmen, die in britischen Steueroasen registriert sind. 40 Prozent der Besitzer sind Russen
Mangelnde Aufsicht, unregulierte Steueroasen und Geheimniskrämerei sind der Nährboden für Korruption und Geldwäscherei, ist Hodge überzeugt. Gerade nach der Ausweisung der russischen Diplomaten würden schnell weitere Schritte erwartet, sagt Hodge.
Mehr Transparenz soll Korruption verhindern
Der konservative Abgeordnete John Penrose ist von der Regierung beauftragt worden, eine Strategie gegen Korruption vorzulegen. Und er erweist sich als verblüffend radikal. Penrose empfiehlt viel mehr Transparenz:
- Ein Register von tatsächlichen Immobilienbesitzern, das bereits für 2015 versprochen war, soll nicht erst in drei Jahren, sondern früher zugänglich gemacht werden.
- Auch für die wahren Eigentümer von Trusts und Stiftungen soll ein Register eingeführt werden.
- Gerichtlich nachgewiesene Korruption soll künftig publiziert werden.
- Penrose spricht auch vom Handelsregister, und drängt darauf, dass die bereits bestehenden Gesetze ernsthafter und transparenter umgesetzt werden.
«Der öffentliche Druck wird zunehmen, zu enthüllen, was wem gehört», sagt Hodge. Aber Penrose ist nicht die Regierung. Die Labour-Politikerin Hodge hat das alles schon allzu oft gehört: «Ich habe die Nase voll von den hohlen Versprechungen dieser Regierung und von der Weigerung, diese in die Realität umzusetzen.»
Ich habe die Nase voll von den hohlen Versprechungen dieser Regierung und von der Weigerung, diese in die Realität umzusetzen.
Hodge versteht den Finanzplatz London nicht bloss als Bankenplatz. Immer wieder erwähnt sie die britisch kontrollierten Steueroasen und die Helfer der korrupten Kleptokraten in London. «Die britische Steuerbehörde hat nicht die Mittel, gegen die Armee von Buchprüfern vorzugehen, gegen die Banken und die fürstlich bezahlten, völlig unmoralischen Anwälte, die sich auf Unternehmensbesteuerung spezialisiert haben.»
Ist der Giftanschlag von Salisbury ein Wendepunkt?
«Ich hoffe, dass Salisbury eine Chance bietet, die tief verwurzelten Missstände im britischen System aufs Tapet zu bringen», sagt Hodge nach dem Anlass.
Ich hoffe, der Giftanschlag bietet die Chance, die Missstände aufs Tapet zu bringen.
Der Gastgeber des Abends im Frontline Club, der ehemalige Moskauer Korrespondent Oliver Bullough, sagt dasselbe, nur etwas positiver gesinnt: «Die Säuberung ist ein Prozess. Zurzeit ist das Glas zu zehn Prozent voll. Würden es elf Prozent, wäre das besser als nichts.»
Der Abend nährt die Einsicht, dass die gesetzlichen Instrumente weitgehend existieren, die den Oligarchen und Kleptokraten das süsse Leben erschweren könnten. Aber der Wille der Regierung, diese auch anzuwenden, wird von den mächtigen Interessen in der City gedämpft. Der Schlendrian ist beabsichtigt.