In den letzten Monaten hat sich die Auseinandersetzung um Kosovo zu einer Krise zugespitzt – scheinbar unbemerkt. Serbien muss für einen EU-Beitritt Kosovo als Staat anerkennen. Doch Serbien ist mit aller Kraft dabei, den Preis dafür in die Höhe zu treiben.
Kosovo dagegen setzt Zeichen der Eigenstaatlichkeit: mit 100-Prozent-Zöllen auf serbische Produkte und der Einführung einer eigenen Armee.
Für multiethnische Gesellschaft
Seit letztem Sommer steht ein Landtausch als mögliche Lösung des Knotens im Raum: Eine «Abgrenzung zwischen Serben und Albanern», wie es der serbische Präsident Aleksandar Vučić ausdrückt, eine «Grenzkorrektur» nach Lesart von Kosovo-Präsident Hashim Thaçi. Die USA, Russland und Teile der EU könnten offenbar mit dieser Idee leben – Hauptsache keinen Ärger.
Einzig Deutschland hat sich bislang gegen neue Grenzen auf dem Westbalkan ausgesprochen. Hinter den Kulissen stellt sich auch die Schweiz dagegen. Dies bestätigt das eidgenössische Departement des Äussern EDA auf Anfrage von SRF: «Die Schweiz hat stets ihr hohes Engagement für das friedliche Zusammenleben multiethnischer Gesellschaften in der Region bekräftigt.»
Gefährlicher Domino-Effekt?
Seit 1995 setzte sich die Schweiz mit verschiedenen Projekten für die Stabilität und die Entwicklung auf dem Westbalkan ein. «Die Schweiz ist deshalb der Auffassung, dass eine Veränderung der Grenzen zwischen Serbien und Kosovo die fragile Stabilität auf dem Westbalkan gefährden würde», schreibt EDA-Sprecher Tilman Renz.
Die Befürchtung: Grenzveränderungen könnten einen gefährlichen Domino-Effekt in der Region auslösen – etwa in Bosnien. Dort droht die Führung des serbischen Landesteils seit Jahren mit einer Abspaltung vom Gesamtstaat. Neue Grenzen könnten also neuen Ärger bringen.
Streitpunkt serbischer Gemeindeverbund
Die Schweiz unterstützt deshalb den Normalisierungsprozess zwischen Belgrad und Pristina unter Schirmherrschaft der EU – und verlangt Zugeständnisse: «Aus Sicht der Schweiz würde die Umsetzung der Abkommen von 2013 und 2015 ebenfalls viel zu dieser Normalisierung beitragen.» Konkret geht es um die Gründung eines serbischen Gemeindeverbands innerhalb Kosovos.
Gemeinden mit serbischer Bevölkerungsmehrheit sollen sich gemäss Abkommen von 2015 untereinander verbinden. Auf den ersten Blick eine föderale Idee. Doch die kosovarische Bevölkerung befürchtet einen Staat im Staat mit direktem Link nach Belgrad. Hunderttausende gingen deswegen auf die Strassen. Deshalb hat die Regierung in Pristina den Gemeindeverband noch immer nicht umgesetzt.
Swiss Soft Power
Kaum ein anderes Land hat die Unabhängigkeit Kosovos so stark unterstützt wie die Schweiz. Jetzt verlangt sie schmerzhafte Zugeständnisse der politischen Führung. Die Schweiz hat aber auch in Belgrad eine starke Position.
Sie fördert mit der Einführung des dualen Bildungssystems ein Prestigeprojekt der Regierung – und ist das viertgrösste Geberland in Serbien. Die Swiss Soft Power hat also durchaus Gewicht im Machtpoker um die Lösung des Kosovo-Knotens.