Menschen aus dem Kosovo bilden in der Schweiz eine der grössten Einwanderungsgruppen. Viele von ihnen haben während oder nach dem Kosovo-Krieg vor 25 Jahren hier ein neues Zuhause gefunden und sind inzwischen in verschiedensten Gesellschaftssparten vertreten. Und doch ist hierzulande nur wenig Wissen über die kosovarische Bevölkerung vorhanden. Höchste Zeit, dies zu ändern.
Die Schweizer Buchautorin Shqipe Sylejmani kam als kleines Kind mit ihrer Familie in die Schweiz. In der TV-Sommerserie «G&G grenzenlos» zeigt die 35-Jährige eine Woche lang Traditionen, Speisen und andere Schätze aus ihrer zweiten Heimat Kosovo.
Im Zwiespalt zwischen Melancholie und Euphorie
Mitten in Pristina stellen die Buchhändler jeden Tag ihre Ware auf. Oft sind es albanische Werke, die in offiziellen Läden längst vergriffen sind. Mit jedem verkauften Buch wird durch die Literatur ein Stück albanische Geschichte am Leben erhalten. Es ist eine Geschichte, die gerade mit einem neuen Kapitel fortgesetzt wird. Denn im Kosovo – dem Staat mit der jüngsten Bevölkerung Europas – herrscht Aufbruchsstimmung.
Die neue Reisefreiheit wird die Entwicklung der Frauenrechte im Kosovo weiter vorantreiben.
Aktivistinnen ziehen durch die Strassen und fordern laut die Gleichberechtigung ein. Einst vertriebene oder ausgewanderte Menschen kehren mit grossen Ambitionen in ihr Herkunftsland zurück. Und die EU gibt der kosovarischen Bevölkerung ab dem 1. Januar 2024 grünes Licht fürs visumfreie Reisen.
«Die neu gewonnene Reisefreiheit wird die Entwicklung der Frauenrechte im Kosovo weiter vorantreiben», hofft die Aktivistin Adelina Tërshani. Denn obwohl sich der jüngste Staat Europas seit seiner Unabhängigkeit vor 15 Jahren stetig weiterentwickelte, haben es die Frauen in der patriarchalen Gesellschaft nach wie vor schwer. Immer wieder wird von ihrer Unterdrückung und den Gewalttaten gegen sie berichtet. «Die Mentalität im Kosovo verbessert sich mit jedem Tag. Gerade jetzt ist eine starke Bewegung sichtbar», sagt Adelina Tërshani zuversichtlich.
Viele junge Menschen aus der kosovarischen Diaspora wollen dem Land, das ihre Eltern einst verlassen mussten, etwas zurückgeben. So auch der Filmregisseur Ilir Hasanaj, der vor acht Jahren seinen Wohnsitz von Winterthur nach Pristina verlegte. «Ich spüre, dass eine Veränderung im Gange ist. Man sagt ja auch, Kosovo könnte so etwas wie die neue Schweiz werden.»
Man sagt ja auch, Kosovo könnte so etwas wie die neue Schweiz werden.
Gewisse Ähnlichkeiten sind durchaus vorhanden: Wie auch in der Schweiz ist man im Kosovo stolz auf die heimischen Traditionen. Wenn den Schweizern und Schweizerinnen vielleicht beim Jodeln das Herz aufgeht, glitzern den Kosovarinnen und Kosovaren die Tränen in den Augen, kaum wird ein schwungvoller «Shota»-Tanz aufs Parkett gelegt.
Neben der Pflege der Traditionen verbindet die beiden Länder auch die Leidenschaft fürs Wandern. Ein Zeitvertreib, der immer mehr Touristinnen und Touristen zu den ausgedehnten Bergketten und in die dichten Wälder des Kosovos lockt.
Etwas abseits vom Gebirge ist die Topografie von sanften Hügeln geprägt. Die im Krieg verbrannte Erde hat sich inzwischen erholt, sodass auf den Feldern Rebberge gedeihen und in vielen Regionen wieder Weinbau betrieben werden kann. Damit baut sich der Kosovo einen bedeutenden Wirtschaftszweig wieder auf. Sein wichtigstes Exportland in Europa ist die Schweiz, wo seine grösste Diaspora lebt – und sich manchmal vielleicht durch einen Tropfen kosovarischen Wein an die alte Heimat erinnert.