Gefragt am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz, was denn sein Land momentan am dringendsten brauche, überlegte der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba nicht lange: «Munition, Artillerie und Panzer.»
Auf die Reihenfolge kommt es an. Es werden derzeit bei weitem nicht genug Geschosse nachgeliefert. Die Forderung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der Ukraine das zu liefern, was sie braucht, wird momentan nicht erfüllt.
Ukrainische Kommandeure beklagen sich, sie müssten jetzt schon äusserst haushälterisch mit der Munition umgehen und bald Stellungen räumen, während sie auf Nachschub warteten.
Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas drückt es so aus: «Russlands Rüstungsindustrie arbeitet bereits in drei Schichten. Seine Streitkräfte verfeuerten an einem einzigen Tag so viel Munition, wie Europa in einem ganzen Monat herstellt.» Erst recht irritiert ist sie, wenn sie von Waffenproduzenten hört, es fehle an Aufträgen.
Russland verfeuerte an einem einzigen Tag so viel Munition, wie Europa in einem Monat herstellt.
Moskau kann die Rüstungsproduktion auf Befehl rasch hochfahren. Westliche Waffenschmieden brauchen indes ökonomische Anreize, also kurz- und vor allem auch langfristige Absatzgarantien. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will deshalb nun die noch ganz junge sogenannte European Peace Facility nutzen.
Rüstungsindustrie soll über Fonds motiviert werden
Es handelt sich um einen Mechanismus zur Finanzierung von Verteidigungsoperationen. Der Fonds ist mit 5,7 Milliarden Euro dotiert. Damit liessen sich Verträge mit der Verteidigungsindustrie abschliessen, die ihnen langfristige Sicherheit verschaffen und sie ermuntern, die Produktion auszuweiten.
Es geht um das Überleben der Ukraine.
Von der Leyen: «Es geht um das Überleben der Ukraine.» Ein ähnliches Vorgehen habe sich schon beim Kampf gegen das Corona-Virus bewährt: «Wir besprachen mit der Pharmaindustrie, was sie braucht, um unverzüglich die Impfstoffe herzustellen.»
Borrell: Westen soll Arsenale öffnen
«In einer Marktwirtschaft zieht Nachfrage ein Angebot nach sich», sagt Estlands Ministerpräsidentin Kallas. Fragt sich indes, ob die gesamten Produktionskapazitäten überhaupt noch gross genug sind, nachdem Europa und die USA seit Jahrzehnten nicht mehr mit einem grossen konventionellen Krieg gerechnet haben. Und wie rasch mehr Munition fabriziert werden kann.
Die einzelnen Länder müssen sofort an die Ukraine abgeben, was sie noch in ihren Arsenalen haben.
Über Nacht wird das nicht passieren. Deshalb fordert der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell: «Die einzelnen Länder müssen sofort an die Ukraine abgeben, was sie noch in ihren Arsenalen haben. Denn es geht nicht um Monate. Es geht um Wochen.» Kurz: Der Ukraine läuft die Zeit davon.