Für die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen den Aggressor Russland wird es immer schwieriger, international das nötige Geld aufzubringen. In diversen EU-Staaten schwindet die Bereitschaft, ebenso in den USA.
Griff nach den Zinsen
Die EU-Kommission will nun vorangehen und der Ukraine jährlich bis zu drei Milliarden Euro aus den Erlösen eingefrorener Vermögenswerte der russischen Zentralbank zukommen lassen. 90 Prozent davon sollen über die Europäische Friedens-Fazilität transferiert werden, schlägt die Brüsseler Behörde vor.
Der Rest der Zinseinnahmen soll in den zentralen EU-Haushalt fliessen, wie der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell erklärte. Der Vorstoss muss von den Mitgliedstaaten noch bewilligt werden. Am Donnerstag und Freitag findet das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs statt.
Der genaue Betrag soll sich an den globalen Zinsen orientieren. In den 27 EU-Staaten sind insgesamt 210 Milliarden Euro an Anlagen der russischen Notenbank auf Eis gelegt. Etwa 70 Prozent davon befinden sich bei er privaten belgischen Depotbank Euroclear, wo Wertpapiere und Bargeld der russischen Zentralbank im Wert von 190 Milliarden Euro gelagert sind.
So funktioniert die Einziehung der Gelder
Insgesamt könnten bis zu viereinhalb Milliarden Euro an die Ukraine fliessen, wie SRF-Brüssel-Korrespondent Charles Liebherr erklärt. Denn Euroclear muss auf den Dividenden auch Steuern bezahlen. Belgien als Geschäftssitz von Euroclar hat bereits beschlossen, diese Gewinnsteuern direkt an die Ukraine weiterzugeben.
Seit Februar muss Euroclear die Gewinne aus den Vermögen der russischen Zentralbank auf ein Spezialkonto transferieren und darf diese nicht auszahlen. Die Gelder werden nun mit einer Steuer von 97 Prozent belegt. So fliessen die Dividenden ins U-Budget und von dort in einen Spezialfonds für die militärische Aufrüstung der Ukraine. Der Fonds besteht bereits und finanziert seit Kriegsbeginn Munitions- und Waffenlieferungen an die Ukraine.
So wasserdicht ist der Vorstoss juristisch
Die Expertinnen und Experten der EU-Kommission erachten den Vorstoss der Kommission für sehr wasserdicht, räumen aber ein, dass alles ein rechtliches Novum ist: Die Vermögenswerte der russischen Zentralbank werden nicht angefasst, abgezogen werden nur die Dividenden, die juristisch der Depotbank Euroclear gehören.
Der russische Staat hat in den Augen der Juristinnen und Juristen gar keine rechtlichen Mittel, etwa vor einem europäischen Gericht einen Anspruch auf die Gelder geltend zu machen. Das schliesst aber nicht aus, dass die russische Zentralbank es versuchen wird.
Neues Gesetz dürfte kommen – auch ohne Ungarn
Der Schritt für das neue Gesetz sei unter den EU-Staaten praktisch unbestritten, so Liebherr: Alle Staaten ausser Ungarn haben bereits ihre Zustimmung versprochen. Bei der Auszahlung aus dem EU-Fonds für die Aufrüstung der Ukraine gilt dann aber Einstimmigkeit, und Ungarn legte in den letzten Monaten regelmässig das Veto ein.
Das kann laut Liebherr aber die Lieferung von Waffen durch einzelne EU-Staaten nicht verhindern, sondern nur die finanzielle Rückerstattung aus dem EU-Budget verzögern. Entsprechend sei die vorgeschlagene Lösung nicht ideal. Doch die EU wähle trotzdem diesen komplizierteren Weg – um Ungarn zum Einlenken zu bewegen und um Geschlossenheit gegenüber Russland zu demonstrieren.