Die Verteidigungsminister der Kontaktgruppe für die Verteidigung der Ukraine haben im deutschen Ramstein weitere umfangreiche Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen. Die USA zum Beispiel haben das bislang zweitgrösste Einzelpaket angekündigt, mit weiteren Schützenpanzern und erstmals auch Radschützenpanzern. Grossbritannien will zudem 14 Kampfpanzer liefern.
Im Vorfeld wurde aber vor allem darüber geredet, dass Deutschland grünes Licht geben solle, damit auch der Kampfpanzer Leopard 2 geliefert werden kann. Doch in diesem Punkt kam bisher keine Einigung zustande. SRF-Auslandredaktor David Nauer über die Bedeutung der Panzer-Frage für die Ukraine.
SRF News: Vorerst bekommt die Ukraine keine Kampfpanzer Leopard 2. Versteht man das in Kiew?
David Nauer: Gemäss dem, was ich aus Kiew höre, lautet die Antwort Nein. Die Ukraine befindet sich nun schon elf Monate im Krieg. Russland hat mehrere Städte und Ortschaften in Schutt und Asche gelegt. Der Kreml hat gerade 150'000 frisch mobilisierte Soldaten an die Front geschickt. An mehreren Frontabschnitten rücken die Russen bereits vor. So sieht die aktuelle Lage in der Ukraine aus.
Der Kreml bereitet eine neue, noch grössere Streitmacht für einen erneuten Grossangriff auf die Ukraine vor.
Angesichts dieser Dramatik können die Menschen aus Kiew, mit denen ich Kontakt hatte, nicht verstehen, warum die Deutschen noch zögern, diskutieren und Gedanken wälzen. Nun verkündet Deutschland, dass man erst einmal nachschauen muss, wie viele Panzer überhaupt in den Lagern herumstehen. Dafür fehlt in der Ukraine das Verständnis.
Gleichzeitig sind die Ukrainer aber auch sehr dankbar für die Hilfe, die sie von Deutschland und den USA bekommen. Und diese Hilfe ist beachtlich – auch wenn keine Leopard-2-Panzer dabei sind. In einer Rede hat Präsident Wolodimir Selenski klargemacht, dass er den westlichen Partnern hundertmal Danke sage. Die Lage sei aber dramatisch, die Zeit dränge – und die Ukraine brauche Panzer.
Warum sind Kampfpanzer zu diesem Zeitpunkt so wichtig für die Ukraine?
Die Russen haben sich an der Front eingegraben und zum Teil auch Verteidigungslinien aufgebaut. Gleichzeitig bereitet der Kreml – so weit man das abschätzen kann – eine neue, noch grössere Streitmacht für einen erneuten Grossangriff auf die Ukraine vor. Dieser könnte im Frühling oder auch im Sommer beginnen.
Um die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, brauchen die Ukraine Panzer – und zwar viele.
Es werden Soldaten mobilisiert und militärisches Material produziert und in die Konfliktregion gebracht. Die Zeit drängt und die Ukrainer wollen dieser russischen Attacke mit einem eigenen Angriff zuvorkommen. Dafür müssen sie aber die russischen Verteidigungslinien durchbrechen. Dafür braucht man laut Militärexperten in der Regel Panzer – und zwar viele.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.